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Alles nur Theater?

 
     
 
Die Leiden der Menschen von Darfur sind echt. Doch schon bei den Opferzahlen ist Vorsicht geboten, denn wie immer wird je nach Interessenslage aufgebauscht oder verharmlost - mit manch seltsamen Allianzen von lokalen und fremden "Meinungsmachern".

Der Sudan, mit 2,5 Millionen Quadratkilometer Fläche und zwischen 32 un 39 Millionen Einwohner größter "Staat" Afrikas, ist ein Gebilde, das gar nicht existieren dürfte, so unterschiedlich sind die in ihm zusammengezwungenen Völker. Und eigentlich ist der Sudan gar kein richtiger Staat, denn die Staatsgewalt reicht kaum über den Umkreis der Garnisonen hinaus. "Sudan" ist die Mehrzahl des arabisch
en Wortes für "schwarz" und "Neger". Der Sudan ein "Land der Schwarzen"? Eine glatte Fehlbezeichnung, denn Schwarze gibt es nur im Süden, darunter die durch Leni Riefenstahl bekannt gewordenen Nuba. Im Norden lebt eine islamisierte und oft nur oberflächlich arabisierte Mischbevölkerung. Die "arabischen Reitermilizen" zählen ebenso dazu wie viele ihrer Opfer.

Im Norden sind zwar ebenfalls Schwarze anzutreffen. Sie gehören aber keinem Stamm an, sondern sind Nachfahren von Sklaven - oder de facto selbst noch Sklaven, obwohl Sklaverei verboten ist. Echte Araber gibt es wenige. Sie sind erst in den letzten zwei Jahrhunderten eingewandert und leben meist in den Städten. Im Ostsudan gibt es auch Nomaden, die von der arabischen Halbinsel stammen. Der Norden war einst christlich und wurde erst im

14. Jahrhundert durch Eroberer islamisiert. Kurios, daß Nachfahren von Christen 1983 die "Scharia" einführten, noch dazu für den ganzen Staat! Warum die Arabische Liga den angeblich "arabischen" Sudan gleich nach dessen Unabhängigkeit 1956 als Mitglied aufnahm? Offenbar in dem Glauben, viele Mitglieder zu haben sei gleichbedeutend mit politischer Stärke. Ein Irrglaube - und wieder kein Einzelfall. Daß das Land vor 1956 "Anglo-Ägyptischer Sudan" hieß, war ebenfalls Etikettenschwindel, denn die Ägypter, die vor dem Mahdi-Aufstand geflohen waren, hatten nach dessen Niederschlagung durch Lord Kitchener 1898 nicht mehr viel zu sagen.

Darfur war jahrhundertelang ein selbständiges Sultanat - mit dem Sklavenhandel als Haupteinnahmequelle. Der Niedergang begann, als Ägypten den Sklavenimport verbot. Die Engländer besorgten den Rest, als sie 1916 einen Aufstand niederschlugen und das Land dem Sudan angliederten. Der Name "Darfur" besteht aus arabisch "dar" (Haus, Heimat, Gebiet) und "Fur", dem Namen eines Volkes. Auch "Darfur" ist irreführend, denn die "Heimat der Fur" wird nur im Zentral- und Nordteil von den Fur, bewohnt.

Auffallen müßte, daß jetzt überall von "arabischen Reitermilizen" geredet wird, obwohl diese doch weder Araber noch Milizen sind, sondern Banditen in der Tradition von Sklavenjägern! Sie wurden zwar mehrfach gegen den schwarzen Süden eingesetzt, doch sie sind gerufene Geister, welche auch die sudanesische Regierung nicht so schnell wieder los werden kann. Außerdem lassen sich Banditen von jedermann rufen, der sie zu "motivieren" versteht! Das können Geheimdienste genauso sein wie Konzerne, die mit den Korruptionisten in Khartum paktieren. Und nicht ganz grundlos gelten Geologen bei Afrikanern als Vorboten von Tod und Vertreibung.

Noch verdächtiger ist, daß man über die Greuel in Darfur bisher so gut wie nichts hörte, obwohl sie seit anderthalb Jahren in vollem Gange sind - genau seit die Welt vor allem auf den Irak blickt. Das würde zwar bestätigen, daß im Schatten großer Konflikte meist auch lokale Probleme "gelöst" werden. Nur warum eskaliert die Darfur-Krise gerade jetzt oder ist alles nur Medientheater? Die Betonung auf "arabische" Milizen legt ein Ablenkungsmanöver von Plänen andernorts nahe. Und eine neue Militärintervention, diesmal mit humanitärem Anstrich, würde die Wahlaussichten für Bush deutlich verbessern ...

In einem jedenfalls sind sich alle einig, ob sie nun eine "humanitäre" oder militärische Intervention im Sudan wollen oder eine solche unter Berufung auf die "Souveränität" des Sudan ablehnen: Sie alle bestehen auf der Beibehaltung von multiethnischen "Staaten" - bis zur nächsten Katastrophe. RGK

 
     
     
 
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