|
Der Transrapid kommt in China gut an - so jubelte vor Jahresfrist die "Süddeutsche Zeitung". Wie gut, erfuhren wir vor wenigen Tagen. Allerdings ohne jeden Jubelton, im Gegenteil: Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber sprach ganz undiplomatischen Klartext und warf den Chinesen "Mißbrauch geistigen Eigentums" und "Technologie-Diebstahl " vor.
In der Tat: Der in Deutschland entwickelte und in China erstmals kommerziell eingesetzte Magnetschwebezug ist nicht nur im Transrapid-begeisterten Shanghai, sondern auch bei den in Peking regierenden Kommunisten gut angekommen. Ganz im großkapitalistischen Sinne beschlossen sie, das sich anbahnende Milliardengeschäft nicht dem als Geschäftspartner durchaus geschätzten einstigen Klassenfeind zu überlassen, sondern es lieber selber zu machen. Kritikwürdig ist nicht, daß sie das machen, wohl aber, wie sie es machen.
Ein kurzer Rückblick in die jüngere Technologiegeschichte: Schon 1934 hatte der deutsche Ingenieur Hermann Kemper ein Patent für eine "Schwebebahn mit räderlosen Fahrzeugen, die an eisernen Fahrschienen mittels magnetischer Felder schwebend entlanggeführt wird", angemeldet. Die geniale Erfindung wurde - wohl auch, weil sie keinen militärischen Nutzwert versprach - nicht umgesetzt; das Patent war längst ausgelaufen, als Kemper 1966 den Münchner Flugzeugkonstrukteur Ludwig Boelkow (MBB) kennenlernte. Der war von der Idee fasziniert und setzte seinen Ingenieur Hans Georg Raschbichler darauf an. Dies war die Geburtsstunde des Transrapid.
Raschbichler, der "Vater der Magnetbahn", arbeitete nahezu vier Jahrzehnte an dem Projekt, zuletzt als Geschäftsführer der "Transrapid International" (TRI). Seiner Zähigkeit ist es zu verdanken, daß den Elektromagneten des radlosen Schwebezuges nicht längst der Strom abgeschaltet wurde. 1976 konnte MBB in Ottobrunn bei München einen ersten spektakulären Rekord melden: Auf einer 1,3 Kilometer langen Versuchsstrecke wurde die magische Marke von 400 km/h geknackt. 1984 wurde eine 30 Kilometer lange Teststrecke im Emsland in Betrieb genommen, wo man sich bald schon an Tempo 500 herantastete.
Den technologischen Erfolgen standen politische Rückschläge gegenüber. Seit 1982 wurden mehrfach Strecken für eine kommerzielle Anwendung geplant, beschlossen und wieder gestrichen. 1994 schien der Durchbruch endlich geschafft; die Bundesregierung beschloß den Bau einer Transrapid-Strecke von Hamburg nach Berlin. Doch sechs Jahre später gaben die inzwischen in Berlin regierenden rot-grünen Technologiefeinde das Projekt wieder auf - die bis dahin ausgegebenen 1,2 Milliarden Euro öffentlicher Fördergelder schienen in den Sand gesetzt.
Großes Interesse an der deutschen Technologie gab es unter anderem in den USA, China, England, Holland und dem arabischen Raum. Einem Geschäftsabschluß stand jedoch stets das Argument entgegen: Wenn die Deutschen den Transrapid selber nicht haben wollen, kann er ja nicht so gut sein.
Nur die Chinesen dachten anders und kauften den deutschen Wunderzug, freilich ohne an den gigantischen Entwicklungskosten beteiligt zu sein, also indirekt subventioniert durch den deutschen Steuerzahler. Nach sensationell kurzer Bauzeit war Ende 2002 die 30-Kilometer-Strecke von Shanghai zum Flughafen Pudong fertig, Ende 2003 fuhr der Transrapid erstmals über 500 km/h, inzwischen hat er über zwei Millionen Kilometer zurückgelegt und über fünf Millionen Fahrgäste befördert.
Die Deutschen hofften auf Anschlußaufträge, die ihnen zunächst auch in Aussicht gestellt wurden. Dann verlegte Peking sich auf Hinhaltetaktik. Seit wenigen Tagen weiß man, warum: Noch in diesem Sommer soll eine eigene Magnetschwebebahn den Probebetrieb aufnehmen, angeblich eine völlige Eigenentwicklung, ohne jede "Anleihe" bei den Deutschen.
Das mutet schon merkwürdig an: Woran andere jahrzehntelang intensiv arbeiteten, das wollen die chinesischen Ingenieure in nicht einmal drei Jahren geschafft haben. Nach allem, was bislang konkret bekannt ist, halten die Unterschiede zwischen deutscher und chinesischer Magnetbahn sich aber in durchaus überschaubaren Grenzen: Pekings Transrapid soll "Dolphin" heißen und nicht weiß, sondern grün/blau lackiert sein. Unter dem Blech aber, davon ist nicht nur Stoiber überzeugt, ist er wohl doch nur eine Raubkopie. Juliane Meier
Deutscher Transrapid in Shanghai: Inzwischen haben die Chinesen die Bahn nachgebaut. Foto: Transrapid International GmbH & Co. KG |
|