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Alte Menschen - altes Eisen?

 
     
 
Deutschland vergreist - diese keineswegs neue und auch keineswegs nur beunruhigende Weisheit hat Bundespräsident Horst Köhler jüngst bei der Eröffnung des Deutschen Seniorentages in Köln auf ganz eigene Weise verdeutlicht. "Wer in diesem Land 100 Jahre alt wird, der bekommt einen Glückwunschbrief vom Bundespräsidenten. 1985, es war die Zeit Richard von Weizsäckers, gingen 899 Briefe ins Land. Im vergangenen Jahr konnte ich schon 4360 Hundertjährigen gratulieren. Und wenn es bei der bisherigen Tradition bleibt, dann schreibt ein Bundespräsident künftig mehr als eine Million Glückwunschbriefe pro Amtszeit."

Daß voraussichtlich fast die Hälfte der heute Geboren den Hundertsten werde feiern können, ist für Köhler "eine sehr schöne Sache". Wenngleich er nicht verdrängt, daß sich manchem auch "die dunkle Seite des Alters" offenbaren wird.

Mit beidem hat der Präsident recht. Es ist toll, daß medizinischer Fortschritt und soziale Rahmenbedingungen es immer mehr Menschen ermöglichen, ein so hohes Alter zu erreichen. Daß aber "Alter als Chance" (so das Motto des Seniorentages) viel zu wenig genutzt wird, ist ein himmelschreiender Skandal.

Worauf soll sich ein heute 50jähriger noch freuen, wenn seine statistische Chance, noch 30 Jahre zu leben, überlagert wird von der statistischen Drohung, in vielleicht zwei oder drei Jahren seinen Arbeitsplatz zu verlieren? Ist es ein Segen, bereits als nicht einmal wirklich alter Mensch bereits zum "alten Eisen" gezählt zu werden? Wahrhaft "schöne" Aussichten: mit 55 arbeitslos
, mit 57 Sozialhilfe, mit 67 dann endlich das, was von Blüms "sicherer" Rente noch übriggeblieben ist; bis dahin spekulieren kluge Querdenker vielleicht schon darüber, zusätzlich zum höheren Renteneintrittsalter auch ein "Rentenaustrittsalter" einzuführen - mit 75 ist Schluß, weiterleben auf eigene Gefahr (und eigene Kosten)!

Daß Fachwissen, Erfahrung und Menschenkenntnis älterer Menschen in der Wirtschaft immer wichtiger werden, wie Köhler zu Recht anmahnt - die Betroffenen merken bislang nichts davon. Meist zählt nur eins: Sie sind zu teuer, müssen Platz machen für Jüngere, die nicht immer besser, immer aber billiger sind. Sie werden nicht mehr benötigt, und oft genug läßt man sie es auch spüren, wie sehr sie den Sozialsystemen zur Last fallen.

Denn auch dies ist die dunkle Seite des Alters: Mit jedem Lebensjahr steigt die Anfälligkeit für Krankheiten und Verletzungen. Was den Jüngling gerade mal beiläufig husten läßt, wirft den Senior für Wochen aufs Krankenlager. Der Beinbruch, den die junge Sportlerin eher als lästige Unterbrechung der Karriere empfindet, bringt die osteoroposegeplagte Rentnerin in Lebensgefahr.

Der Preis der steigenden Lebenserwartung schlägt sich nieder in davongaloppierenden Gesundheitskosten. Wenn wir uns mit dem Bundespräsidenten über die "schönen", die lichten Seiten des Alters freuen wollen, müssen wir bereit sein, diesen Preis zu zahlen.
 
     
     
 
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