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Alte Wunden neu aufgerissen

 
     
 
Seit letzter Woche ist das Kürzel „11/7“, das sich an das „9/11“ (11. September 2001) der Amerikaner anlehnt, zum Synonym für den Terror in Indien geworden. Knapp 200 Menschen fielen nach aktuellen Zählungen an diesem Tag einer Anschlagserie zum Opfer. Tatorte waren diesmal zunächst Srinagar (Kaschmir) und dann vor allem die westindische Finanzmetropole Bombay; in mehreren Personenzügen, in denen viele Pendler saßen, die auf dem Weg nach Haus waren, explodierten Bomben, die die ohnehin fragile politische Lage
auf dem indischen Subkontinent erheblich erschüttern könnten. Bombay war schon einmal Ziel einer Anschlagserie: Im März 1993 gab es bei Bombenattentaten auf Hotels, die Börse, Züge und Tankstellen mehr als 250 Tote; weder wurden damals die Täter gefaßt noch wurde etwas über deren Motive bekannt. Möglicherweise haben die damaligen Streitigkeiten zwischen Muslimen und Hindus, genauer gesagt: Anhängern der Bewegung „Shiv Sena“ („Armee Shivas“), eine Rolle gespielt.

Viele Hindus vermuten auch jetzt wieder radikale Muslime hinter den Anschlägen; indische Regierungsmitglieder und auch die indischen Medien sind der Meinung, daß die Täter von Pakistan aus eingesickert sein könnten. Neben kaschmirischen Separatisten wird Taibuddhin Ansari, der Anführer der islamistischen Terrororganisation Lash-kar-r-Toiba (LeT; dt.: „Armee der Reinen“), als Hauptverdächtiger gehandelt, der allerdings seit Wochen untergetaucht ist. Ansari soll auch das Verbindungsglied zur verbotenen Islamischen Studentenbewegung Indiens sein. Die LeT hat allerdings in einer Erklärung alle Verantwortung für die jüngste Anschlagserie von sich gewiesen. Offensichtliche Trittbrettfahrer, die unter anderem behaupten, eine Gruppierung von Al Qaida im Kaschmir zu repräsentieren, erschweren die Aufklärungsarbeit der indischen Polizei, die bis jetzt im Hinblick auf die Drahtzieher der Bombenanschläge im Dunkeln tappt.

Islamabad hat unterdessen die Anschläge zwar verurteilt und auf Unterstellungen, die einen Zusammenhang zwischen Pakistan und den Drahtziehern der Anschläge behaupten, empört reagiert; allerdings geht diesen Distanzierungen die letzte Glaubwürdigkeit ab. So erlaubte beim Erdbeben in Pakistan im Oktober letzten Jahres das pakistanische Militär Untergruppierungen der „LeT“, Auffanglager zu betreiben, was in Indien aufmerksam registriert wurde. Vor diesem Hintergrund ist denn wohl auch die unmißverständliche Forderung des indischen Außenministeriums an Pakistan zu sehen, die dortige „Terror-Infrastruktur“ aufzulösen. Ungeachtet der Frage, wer genau die Täter waren, zeichnet sich bereits jetzt eine Verschlechterung des Verhältnisses zu Pakistan ab, um dessen Verbesserung sich in den letzten Jahren sowohl Pakistan als auch Indien bemüht haben. Im Jahre 2005 wurde in der umkämpften Grenzregion Kaschmir sogar wieder eine direkte Busverbindung in Betrieb genommen, was seit 60 Jahren nicht mehr der Fall war. Möglicherweise ist diese Annäherung der beiden Atommächte extremistischen Strömungen ein Dorn im Auge. Dies vermutet zumindest Christoph Wagner, der Südasien-Experte der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik, der gegenüber „Spiegel-Online“ erklärte, daß es im Prinzip darum gehe, „die Friedensgespräche zwischen Indien und Pakistan zu torpedieren“. Wagner vermutet, daß – vor dem Hintergrund zurückliegender Anschläge – die Täter „einen Bezug zu Kaschmir“ haben könnten.

Der Kaschmir-Konflikt schwelt mehr oder weniger seit der Teilung Britisch-Indiens im Jahre 1947. Die Teilung in ein muslimisch dominiertes Pakistan (das Ost-Pakistan, heute Bangladesh, mit einschloß) und die hinduistisch geprägte Indische Union folgte der sogenannten Zwei-Nationen-Theorie. Gemäß dieser Theorie sollten jene Distrikte Britisch-Indiens, die eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung aufwiesen, an Pakistan fallen. Kaschmir blieb zunächst unabhängig, bis der ehemalige Herrscher Maharaja Hari Singh wegen des Einsickerns immer größerer Gruppen von islamistischen Gruppen und aufgrund von Aufständen gegen seine Herrschaft Indien um militärischen Beistand bat. Diese Entwicklung führte zum Ersten Indisch-Pakistanischen Krieg, der 1949 eine faktische Zweiteilung des Kaschmirs nach sich zog. Zwei Drittel des Territoriums (welches die indischen Bundesstaaten Kaschmir und Jammu umfassen) wurden unter Vermittlung der UN Indien zuerkannt, während der Norden unter pakistanische Verwaltung kam.

Dem ersten Krieg zwischen Indien und Pakistan sollten noch drei weitere (1965, 1971–72, 1999) folgen; nach dem Dritten Indisch-Pakistanischen Krieg verlor Pakistan Ost-Pakistan, das als neuer Staat Bangladesh gegründet wurde.

Aufstand: Wütende Inder hetzen gegen Pakistan, das sie für das Attentat mitverantwortlich machen.
 
     
     
 
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