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An Leib und Seele

 
     
 
Der Mut der Nachgeborenen ist immer am größten. Viele Zeitgenossen, die im freiheitlichen Staatswesen Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen sind, können sich nur vorstellen, daß sie die Zeit des Dritten Reich
es als Held und Widerstandskämpfer, nicht aber als Mitläufer oder Mann in Feldgrau bestanden hätten. Solche Vorstellungen sind unsinnig. Sie haben aber auch etwas zutiefst Beruhigendes: Kaum ein Angehöriger der Generation der nach 1945 geborenen Deutschen kann sich noch vorstellen, was das Leben unter einer Zwangsherrschaft bedeutet.

Daß zum echten Widerstand Mut und Risikobereitschaft gehören, zeigt der von der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegebene Band über den Versuch christlicher Demokraten, sich dem Regime Adolf Hitlers nicht anzupassen. Der Bonner Politikwissenschaftler Tilman Mayer bringt die außergewöhnliche Leistung dieser Frauen und Männer auf folgende einprägsame Formel: "Der Entschluß, gegen ein totalitäres Regime Widerstand zu leisten, wird heute eher als selbstverständlich angesehen. Dabei bedeutete die Entscheidung, sein eigenes Leben und eventuell das seiner Mitwisser aufs Spiel zu setzen, eine übermenschliche moralische Herausforderung. Eine derartige Haltung kann nicht erwartet werden; sie ist vielmehr eine ganz individuelle, existenzielle Tat, zu der sich nur sehr wenige berufen fühlen." In dem über 500 Seiten starken Sammelband finden sich immerhin 60 kurze Lebensbilder dieser Helden. Nicht alle sind so bekannt wie Konrad Adenauer, Eugen Gerstenmaier oder Jakob Kaiser. Aber wer kennt heute selbst so wichtige Nachkriegsfiguren wie Karl Arnold, den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, den Bundestagspräsidenten Hermann Ehlers oder den Adenauer-Widersacher Andreas Hermes?

Nun geht es dem Buch nicht darum, noch einmal an verdiente Politiker der CDU oder CSU zu erinnern. Es geht um etwas anderes, was umso wichtiger ist: Gedacht wird jener Frauen und Männer, die in den Konzentrationslagern und Kerkern der Nazis an Leib und Seele geschunden wurden, dennoch nicht brachen und nach 1945 antraten, eine Politik aus christlicher Verantwortung und ohne konfessionelle Verengung für ganz Deutschland zu betreiben. Die meisten der dargestellten Figuren waren im freien Westen tätig. Andere, wie beispielsweise Otto Nuschke, der stellvertretende Ministerpräsident der DDR, spielten im ostzonalen Zwangsregime eine eher unglückliche Rolle.

Wenn wir heute des Widerstands gegen Adolf Hitler gedenken, haben wir oft nur die konservativen Kreise des 20. Juli oder den kommunistischen oder linken Widerstand im Blick. Die Herausgeber machen in ihrem gut 40-seitigen-Einleitungstext, der die einzelnen Lebensbilder in den Zusammenhang einordnet, auf das Neue aufmerksam: Es ist an der Zeit, verstärkt auch vom christdemokratischen Widerstand gegen die Nazi-Barbarei zu sprechen. Daß wir keine "CDU-Geschichte" des deutschen Widerstandes in Händen halten, dafür bürgt schon allein die gediegene wissenschaftliche Qualität der einzelnen Texte und der Beiträger, zu denen so angesehene Wissenschaftler wie Rudolf Lill, Hans Peter Mensing oder Rudolf Morsey gehören. Dieses ausgezeichnete Nachschlagewerk hat es nicht verdient, billig verramscht zu werden oder in Seminarregalen zu verstauben.

Günter Buchstab / Brigitte Kaff / Hans-Otto Kleinmann (Hrsg.): "Christliche Demokraten gegen Hitler - Aus Verfolgung und Widerstand zur Union", Herder, Freiburg 2004, 536 Seiten, 18 Euro
 
     
     
 
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