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Die CDU versucht, zur Tagesordnung überzugehen. Viel mehr könne die Partei aus eigener Kraft nicht mehr aufklären, wollte CDU-Generalsekretärin Angela Merkel das Thema Spendenaffäre ganz vorsichtig zum Abschluß bringen. Schnell pflichteten Parteigrößen wie Christian Wulff, Annette Schavan und Friedrich Merz ihr bei. Und CDU-Chef Wolfgang Schäuble, wegen einer 100 000-Mark-Spende des Waffenhändlers Schreiber selbst tief im Spendensumpf steckend, empfahl sich bereits wieder als Kandidat für das Amt des Parteivorsitzenden, das auf dem Bundesparteitag in Essen im April neu gewählt werden wird.
Der Optimismus erinnert an das sprichwörtliche Pfeifen im Walde. Richtig vorangekommen ist die CDU nur in einem Punkt: Der Machtkampf zwischen Altkanzler Helmut Kohl und seinen Anhängern einerseits und Wolfgang Schäuble und der jungen Parteigeneration andererseits ist entschieden. Selbst Norbert Blüm, Kohls engster Freund in 16 Jahren Koalition, der vom ersten bis zum letzten Tag am Kabinettstisch saß, ging inzwischen auf Distanz zum Oggersheimer. Blüm möchte das sind die eigentlichen Motive noch einmal für zwei Jahre im Parteipräsidium sitzen. Als "Kohlianer", der er immer war, hätte er keine Chance mehr auf Wiederwahl. Also setzt er sich von Kohl ab.
Der Geldbeschaffer Horst Weyrauch, Hauptverantwortlicher für das ausgeklügelte Schwarzkontensystem und für die hessische "Zaunkönig"-Stiftung in der Schweiz, trat aus der CDU aus; Manfred Kanther, ehemaliger Innenminister, legte sein Abgeordnetenmandat nieder. Die Wahrheit über das ins Ausland geschaffte Millionen-Vermögen der hessischen CDU mochte Kanther jedoch auch nur scheibchenweise zugeben. Erst vor wenigen Tagen mußte Kanthers Nachfolger Ministerpräsident Roland Koch zugeben, daß nicht 13 Millionen, sondern über 20 Millionen Mark Parteigelder in der Schweiz deponiert waren. Die Aufklärung das ist allenthalben spürbar wird nicht energisch betrieben. Ob Staatsanwälte bessere Arbeit leisten können als die CDU es konnte und wollte, muß noch abgewartet werden. Die Bundesbürger mußten sich im Fernsehen inzwischen an neue Bilder gewöhnen: Die Polizei durchsucht CDU-Geschäftsstellen und Wohnungen von christdemokratischen Politikern. Solche Bilder kannte man bisher nur von Fahndungsaktionen der italienischen Polizei gegen mit der Mafia verbrüderte Politiker.
Doch die von der CDU jetzt geplante Rückkehr zum Alltag wird eine Überraschung geben: Nichts wird mehr so sein, wie es einmal war. In der Wählergunst ist die Union inzwischen abgestürzt. Lagen CDU/CSU vor Beginn der Affäre noch knapp unter 50 Prozent, so ermittelte "Emnid" Ende Januar gerade noch 32 Prozent für die Union. Besonders auffällig: 55 Prozent der Befragten geben Schäuble keine Chance mehr, das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Die Oppositionsarbeit müßte eigentlich darauf abgestellt werden, nicht mehr nur bis zur Bundestagswahl 2002, sondern vermutlich viel länger auf die Rückgewinnung der Macht warten zu müssen. Doch immer noch sieht das CDU-Präsidium die Spendenaffäre als "Betriebspanne" an, die mit dem Rücktritt von Kohl vom Amt des Ehrenvorsitzenden behoben sei.
Daß das bisher von Kohl bekannte Schwarzgeld-System die Rückzahlung von sechs Millionen Mark an die Bundestagsverwaltung zur Folge haben dürfte, wird selbst von der Partei zugegeben. Umstritten ist noch, welche Auswirkungen die hessischen Schwarzgelder auf die Ansprüche staatlicher Mittel haben werden. Noch hält sich Bundestagspräsident Thierse (SPD) zurück. Es ist aber damit zu rechnen, daß Thierse zwischen 30 und 40 Millionen Mark von der CDU wegen falsch abgegebener Rechenschaftsberichte zurückverlangt. Die Handlungsfähigkeit der CDU wäre damit auf Jahre hinaus eng begrenzt.
Der "Sickerprozeß", wie Blüm ihn nennt, gefährdet die CDU noch viel mehr. Natürlich erscheinen jetzt allenthalben Berichte, daß sich junge Menschen verstärkt der CDU zuwenden würden. Doch nicht berichtet wird über Austritte aufgrund der Tatsache, daß linke Tonangeber wie Rita Süßmuth und Heiner Geißler längst wieder die moralische Hoheit in der Partei übernommen haben. Alles, was in der CDU konservativ ist, hat seit Kanthers Finanzskandal zu schweigen. Die bayerische Schwester CSU, die sich in der Krise weitgehend bedeckt hält, bekommt das zu spüren: In München häufen sich Aufnahmeanträge konservativer Bürger, denen die CSU aber den Eintritt verweigern muß, weil die Antragsteller nicht in Bayern leben.
Die CDU wird, wenn sie nicht vorher wegen verlorener Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ganz zerbricht, kleiner und linker aus der Krise herauskommen. Sie hinterläßt damit ein Vakuum in der deutschen Landschaft, das nicht ungefüllt bleiben wird. Hans-Georg Münster
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