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Als leidenschaftlicher Liberaler schließt Focus-Chef Helmut Markwort sein im ersten Teil zitiertes Editorial mit den Sätzen: "Das linke Gesinnungspolizisten Andersgläubige jagen, ist keine Überraschung. Daß aber Liberale - auch Deutsche - die Meinungsfreiheit und Denkfreiheit mißachten, ist ein peinliches Erlebnis. Sie sollten über die Fundamente des Liberalismus nachdenken, und sie sollten nachlesen, was Immanuel Kant über den Unterschied zwischen Recht und Moral geschrieben hat." Markworts Text ist insofern Makulatur, als aus dem Konjunktiv im Fall Buttiglione inzwischen ein Indikativ geworden ist.
Die Hetze eines Volksfront-Bündnisses aus den erwähnten Parteien gegen einen bekennenden Konservativen und Christen war, im Verein mit den Medien, wie wir wissen, erfolgreich. Barroso zog seinen Kommissionsvorschlag in letzter Sekunde zurück; Buttiglione gab wenig später, nicht zuletzt auf Druck seines Ministerpräsidenten, der den Unterzeichnungsakt der neuen EU-Verfassung in Rom nicht belasten wollte, auf. Er bleibt in der Ewigen Stadt als Europaminister seines Landes, dessen Regierung - neben der österreichischen - das bevorzugte Haßobjekt aller Linken des Kontinents ist.
Besonders hervorgetan hat sich in diesem Fall von Gesinnungsterror ein weiteres Mal der deutsche Abgeordnete Martin Schulz, Fraktionschef der 200 Sozialdemokraten im EU-Parlament. Schulz, lange eine sinistre Hinterbänklerfigur, hat sich für die Linke unsterbliche Meriten mit seiner böswilligen Attacke auf Silvio Berlusconi erworben, als er ihn nach dessen Rede vor dem EU-Parlament mit inquisitorischen Fragen nicht etwa zu kritisieren, sondern zu provozieren und zu beleidigen versuchte. Berlusconi, schlagfertig und mit scharfem Sarkasmus, hatte den Deutschen vollkommen zu recht als einen potentiellen Lager-Kapo erkannt und ihm eine entsprechende Rolle in einer seiner Filmproduktionen angeboten. Der tödliche Beleidiger war nun selber tödlich beleidigt, und seine deutschen Medienhelfer sahen in ihm ein Opfer des gehaßten Italieners.
Auch deshalb war der "Fall" Buttiglione für Martin Schulz ein hochwillkommener; erneut konnte er sich vor und hinter den Kulissen in Szene setzen: Ersatz-St.Just und -Robespierre in einem. Die Häme auf seinem Gesicht, als Barroso seinen Rückzug vor dem Parlament bekanntgab, reichte ihm nicht; er legte - in direkter Rede an den Gedemütigten - noch nach und bescheinigte ihm, er sei "in den letzten Monaten auf dem Wege gewesen, ein Stück des Kredits aufs Spiel zu setzen", aber mit "der Entscheidung von heute" sei er dabei, "den Kredit wieder zurückzuholen". In Ton und Gestik kopierte Schulz dabei niemand anderes als jene NS-Größen, die während der Debatte zum Ermächtigungsgesetz 1933 im Reichstag zynisch Hohn über die Geschlagenen ausgossen.
Gekrönt allerdings wurde das ganze niederträchtige Schauspiel ausgerechnet und doch nicht wirklich überraschend durch den Chef der Konservativen im EU-Parlament, den deutschen CDU-Politiker Pöttering, der im schon erwähnten Focus noch per Interview bekräftigt hatte, mitsamt seiner EVP-Fraktion hinter Barroso und Buttiglione, zu stehen und seine Hoffnung, daß die Kommission durchkommen könne, mit dem naiven Hinweis unterstrich, schließlich hätten die Konservativen 1999 ja auch für eine "linkslastige Kommission gestimmt" - Pöttering hielt nach der Totalniederlage nicht etwa ein Plädoyer für Meinungs- und Gesinnungsfreiheit, sondern faselte ins EU-Parlamentsplenum etwas von einem "Prozeß der Parlamentarisierung", dem man sich gewiß nicht entgegenstellen wolle. Das Gesicht, das er dabei machte, sprach allerdings Bände. So jedenfalls müssen die Gesichter jener bürgerlichen Abgeordneten des Deutschen Reichstages ausgesehen haben, die seinerzeit dem Ermächtigungsgesetz Hitlers zugestimmt haben.
Im ZDF-Mittagsmagazin sprach unterdessen der Brüssel-Korrespondent des Senders von einem eindeutigen "Sieg der Demokratie". Aber wenn das ein "Sieg der Demokratie" war, dann ist der Vatikan, dessen eben veröffentlichter Sozialkatechismus die theologische Sicht Buttigliones auf die Homosexualität ausdrücklich bestätigt, offenbar ein feindliches Objekt.
In Österreich wären die linken EU-Armeen fast einmarschiert, weil ihnen die konservative Regierungskoalition zutiefst mißfiel, obwohl sie Ausdruck des demokratisch zustandegekommenen Wählerwillens war. Der Vatikan ist eine absolute Monarchie. Wann, bitte, beschließt das EU-Parlament seine Eroberung?
Zweifelhaftes Engagement: Seit langer Zeit mal wieder sorgten zwei deutsche Abgeordnete im EU-Parlament für Wirbel. Der Grüne Daniel Cohn-Bendit (l.) und der SPD-Politiker Martin Schulz (r.) kämpften entschlossen gegen die Einsetzung des italienischen Konservativen Rocco Buttiglione als EU-Kommissar. |
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