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Die Grünen sind bekanntlich die konservativste und reaktionärste politische Gruppierung in diesem Land – sie sind gegen alles, was moderne Wissenschaft und Technik zustande gebracht haben, vom Auto bis zur Gentechnik, vom Atomstrom bis zur Ölförderung auf hoher See. Sie sind die Nostalgiepartei, die am liebsten alle Städte in Fußgängerzonen umwandeln und die postindustrielle Zeit zum Stillstand bringen und dann in einen Naturzustand zurückdrehen würde.

Diese entschiedene Hinneigung zum Vergangenem bestimmt auch das Unvermögen der Grünen, zu akzeptieren, daß 55 Jahre nach Kriegsende die Außenpolitik dieses unseres Landes nicht von den Verbrechen von damals bestimmt werden kann – wie grauenhaft diese auch gewesen sein mögen! Offenbar kann das auch der Primus unter allen Grünen, Außenminister Joschka Fischer
, nicht verstehen.

Auf einem auch in jüdischen Kreisen sehr umstrittenen Bankett des World Jewish Congress im New Yorker Nobelhotel Pierre am 11. September zur Ehrung jener Persönlichkeiten, die den Restitutionskampf der letzten Jahre erfolgreich geführt haben (Otto Graf Lambsdorff war geladener Gast, wurde aber nicht mitgeehrt!), hielt Joschka Fischer eine Ansprache, die alle seine bisherigen rhetorischen Übungen in Sachen Selbstkasteiung übertraf. "Es ist bis heute für uns Deutsche unendlich schwierig – auch und gerade für die jüngere Generation, die dieses nationale Erbe übernehmen muß –, mit der moralischen und historischen Schuld unseres Landes für die Shoa zu leben …" "Wir, die Jüngeren und die nicht mehr so jungen, haben diese Last geerbt. Wir wissen: wir können sie nicht abwerfen, wir können unsere Geschichte nicht hinter uns las- sen …" "Die Erinnerung bewahren heißt aber die Verantwortung für die eigene, für unsere deutsche Geschichte zu übernehmen. Der Ursprung und das Selbstverständnis der gegenwärtigen deutsche Demokratie sind nur vor dem Hintergrund des Holocaust zu verstehen." "… legal closure" bedeutet keineswegs "moral closure" oder gar einen historisch-moralischen Schlußstrich. Die moralische Verantwortung besteht fort und wird die deutsche Politik im Inneren unseres Landes und nach außen prägen."

Das wahrhaft Schreckliche, das Erschreckende an dieser Aussage ist, daß dieser Mann das wirklich glaubt! Tatsächlich wird deutsche Außenpolitik weder unter Fischer noch unter seinen Nachfolgern von der "moralischen Verantwortung" für den Holocaust geprägt, sondern von den ureigenen Interessen der Berliner Republik, die ja eigentlich erst 1989, auf den Straßen von Leipzig, geboren wurde – was der ewiggestrige Außenminister leider auch nicht versteht. Die politisch-historische Tragweite des Wandels von "Wir sind das Volk!" zum "Wir sind ein Volk!" findet keinen natürlichen Platz in einem Weltbild, das in der Tragödie von vor mehr als einem halben Jahrhundert verankert und daher grundreaktionär ist.

Joschka Fischer mag zwar Agnostiker oder gar Atheist sein, hier klingt aber das alttestamentarische Gebot durch, "Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied …"

Die Vererbbarkeit der Sünde – anders ausgedrückt: Sippenhaft – ist weder mit dem römischen Recht noch mit der christlichen Moral und Gesellschaftsordnung vereinbar. Sie ist Teil einer spezifisch judaischen Ethik.

Die Bundesrepublik mag wohl unter dem politischen Antifadiktat der westlichen Siegermächte entstanden sein. Und ein Imperativ der Erinnerung an die Greuel von Auschwitz, Treblinka oder Sobibor mag mit Recht beansprucht werden. Jeder Mensch ist jedoch nur für sich und seine minderjährigen Kinder verantwortlich. Eine Verantwortung für die Taten der Väter oder Großväter gibt es ebenso wenig wie die kollektive Schuld. Joschka Fischers Aussage ist in ihrer letzten Konsequenz eine späte, indirekte Bestätigung der berüchtigten Thesen des Daniel Jonah Goldhagen.

Zu Fischers Rede der Kommentar von Elan Steinberg – des radikalsten aller Scharfmacher aus der WJC-Führung –, der sich von Fischers Rede sehr gerührt fühlte: "Er sprach nicht nur von der deutschen Schuld, sondern er entschuldigte sich auch für seine, nach dem Krieg geborene Generation, was meiner Ansicht nach nie zuvor getan wurde und das, wie ich meine , gar nicht nötig gewesen wäre." Ivan Denes

 
     
     
 
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