|
"So are they all those honorable men so sind sie alle, diese ehrenwerten Herren", klagte schon im 16. Jahrhundert der englische Dramatiker William Shakespeare und meinte damit Korruption und andere mannigfaltige Unmoral im Insel-Königreich. Gleichzeitig wurde dort aber viel von Ruhm und Ehre des Landes gesprochen und miserabelsten politischen Kreaturen Ehrenkränze geflochten.
Das war allerdings schon damals nichts Neues gewesen. Nur zu gut wußte man noch beispielsweise von der Bestechlichkeit römischer Heerführer, und wohlbekannt war allenthalben das Prinzip der mittelalterlichen Handsalben, mit dem sich Kaiser, Könige und Päpste Vorteile erkauften , die Ihnen ansonsten nicht zugefallen wären. Derlei Herren waren am Ende dann doch in den meisten Fällen aller Ehren wert, wie die Geschichtsbücher jedenfalls beweisen. Oder?
Also, so mag ein großer Teil der Bundesbürger heute denken, es war doch schon immer so. Wozu denn die große Aufregung über pausenlose Enthüllungen von Spendenaffären vor allem in der Christlich Demokratischen Union mit Altkanzler Kohl an der Spitze? Die Skandale geraten bereits langsam in den Bereich des Schaugeschäftes.
Das ist dann aber nicht mehr nur schiere Politikverdrossenheit, sondern auch ein Zeichen dafür, daß es bei Regierenden und Regierten mit dem Gefühl für Ehrenhaftigkeit nicht mehr zum Besten gestellt ist. Und da ist dann noch ein Ergebnis der deutsch-französischen Freundschaft: man hat sich zu eigen gemacht, was unsere gallischen Freunde seit alters her als "corriger la fortune das Glück etwas korrigieren" bezeichnen.
Diesen feinen Unterschied, der mit dem Begriff Ehre in zwei unmittelbar benachbarten Ländern vollzogen wird, macht indes deutlich, daß dieser niemals ein monolithischer Begriff gewesen ist. Ehre hatte seit Urzeiten immer sowohl mit der Gruppe, dem Stamm, dem Volk auf der einen Seite und mit dem einzelnen auf der anderen Seite zu tun.
So sind etwa die Zehn Gebote der Bibel einer der ersten größeren Versuche einer Formulierung von Geboten, die die Einhaltung von Ehre sowohl nach innen als auch nach außen nahelegt. Die christlichen Tempelritter hatten es für sich beispielsweise so formuliert: "Nicht uns, nur Dir, Herr, gilt alle Ehre." Dennoch sind die Templer ungeachtet ihres Ehrenkodexes auch an materialistischen Dingen, die den heutigen Spendenskandalen entsprechen, zugrunde gegangen. Ehre bleibt eine doppelbödige Sache, wie es sich in diesem Zusammenhang leicht am Begriff Vaterland ableiten läßt, wenn man an den hohen Blutzoll im Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen denkt. Die soldatische Ehre hat sich über Jahrhunderte hinweg grundsätzlich bewährt, aber auch dabei sind Auswüchse wie Duelle oder unverständliche Selbsttötungen passiert. Das gilt in neuerer Zeit nicht minder für studentische Gruppen, deren Ehrenprinzipien zwar gut waren und sind, Übertreibungen aber nicht von sich fern halten konnten.
Das alles hat damit zu tun, daß zumeist die äußere Ehre überwiegt. Die innere Ehre scheint subtilerer Natur zu sein, was den Dichter Johann Jakob Seume zu der Formulierung brachte: "Der Weise fragt nicht, ob man ihn auch ehrt; nur er allein bestimmt sich seinen Wert."
Der Ex-Kanzler Kohl, der hartnäckig dubiose Mäzene möglicherweise nicht ganz reinen Geldes verschweigt, begründete das zunächst mit seinem den Spendern gegebenen Ehrenwort. In der Zwischenzeit mag gerade wegen des Wechselbalgcharakters des Begriffes Ehre jenes so leicht über die Lippen gegangene "Ehrenwort" beim einstigen CDU-Chef Nachdenklichkeit entstanden sein. Kohl hat denn auch beim Neujahrsempfang der CDU in Bremen deutlich davon gesprochen, daß er in dieser Sache sein "Wort" gegeben habe, und dies, wie er hervorhob, an Personen, die wirklich existieren. Ob dies stimmt, bleibt abzuwarten, der Umgang mit dem Wort Ehre bedarf jedenfalls größter Behutsamkeit, wie dies die Affäre Barschel mahnend in Erinnerung ruft.
|
|