|
Viele werden sich noch an die unseligen Vorgänge um die Verweigerung eines Gedenkgottesdienstes für die Gefallenen des Krieges in der Flensburger Marienkirche im Jahr 1964 erinnern. Während sich die damaligen Auseinandersetzungen vorwiegend in der Bundesrepublik abspielten, eskalierte der Besuch des US-amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg zur internationalen Affäre. Im Zeitalter der gezielten Desinformation seitens zahlreicher Medienleute scheint es hilfreich, sich der damaligen Vorgänge zu erinnern.
Am 8. Mai 1985, dem 40. Jahrestag der bedingungslosen deutschen Kapitulation, wollte der amerikanische Präsident dort auf der Kolmeshöhe zum Zeichen der Versöhnung einen Kranz niederlegen. Vieles sprach für Bitburg. Es lag nicht nur günstig, sondern dort befand sich auch eine große US-amerikanische Wohnsiedlung. In Bitburg wurden rund 16.000 amerikanische Kinder geboren und etwa 6.000 deutsch-amerikanische Ehen geschlossen.
Seit 1959 legte alljährlich am Volkstrauertag eine deutsch-amerikanisch-französische Soldatenabordnung gemeinsam mit dem Bürgermeister und den Stadtvätern dort einen Kranz nieder. Niemals nahm jemand hieran Anstoß, obwohl allen bekannt war, daß sich unter den 2.000 Gefallenen auch die Gedenksteine für 49 Angehörige der Waffen-SS befinden.
Mit den SS-Runen verbinden sich zwar die Erinnerungen an die furchtbarsten Verbrechen, die je in deutschem Namen begangen wurden, doch der fabrikmäßige Massenmord wurde nicht von den kämpfenden Einheiten, sondern von den Totenkopfverbänden und der Verfügungstruppe begangen.
Ein Blick auf die Grabsteine zeigt, daß es sich in Bitburg um junge Menschen handelt, die zum Teil noch nicht einmal volljährig waren. Sie dürften ebenso wenig wie die meisten deutschen Soldaten erkannt haben, daß ihr Idealismus schändlich mißbraucht wurde, wie es im ergreifenden Dialog des General Harras mit Leutnant Hartmann in Carl Zuckmayers "Des Teufels General" zum Ausdruck kommt.
Aus Erfahrung ist mir bekannt, daß selbst viele alte Soldaten nicht wissen, daß ab dem Jahr 1944 mehr als 60 Prozent zwangsweise zur Waffen-SS eingezogen wurden. Es handelte sich also keineswegs um junge Menschen, die freiwillig zur SS gingen. In diesem Sinn hatte Präsident Reagan durchaus recht, wenn er auch diese jungen Menschen "Opfer des Nationalsozialismus" nannte.
1989 kam es dann in Costermano, dem größten deutschen Soldatenfriedhof Norditaliens, zu einem erneuten Eklat. Am Volkstrauertag weigerte sich der bundesdeutsche Generalkonsul in Mailand, dort einen Kranz niederzulegen, weil sich unter 21.930 Gefallenen auch einige Angehörige der Waffen-SS befanden. Der bundesdeutsche amtliche Vertreter ließ es nicht nur an diplomatischem Gespür, sondern auch an menschlichem Empfinden fehlen. Die Bronzestatue eines jungen Mannes in der Ehrenhalle ruft in Erinnerung, daß es sehr oft noch eigentliche Knaben waren, die so früh ihr Leben hingeben mußten.
Von der Haltung des bundesdeutschen Generalkonsuls heben sich erfreulich die ökumenischen Gottesdienste ab, die seit Jahr und Tag dort von April bis Oktober allwöchentlich begangen werden. Ich selber konnte dort ein Jahr nach dem beschämenden Vorfall mit dem bun-
desdeutschen Generalkonsul unter zahlreicher Beteiligung meist junger Deutscher einen Gottesdienst feiern. Mit dem Gedenken an die Gefallenen verbinden die deutschen Gruppen das Gebet um den Frieden. Kein Geringerer als Papst Johannes Paul II. führte bei einem Gedächtnisgottesdienst für die Gefallenen das Wort des Herrn an: "Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde."
Am Volkstrauertag gedenken wir nicht nur der Gefallenen, sondern auch der Opfer des Bombenkriegs sowie aller, die als politische Häftlinge der Rache des Tyrannen erlagen oder in den Wirren der Nachkriegszeit von aufgehetztem, entfesseltem Mob gemordet wurden.
Sie alle, auch jene, gegen die sie einst kämpften, wollen wir in unsere Fürbittgebete aufnehmen, denn der Tod hat die Schranken, die sie einst voneinander trennten, hinweggefegt und erkennen lassen, daß sie alle Kinder des himmlischen Vaters sind, daß Christus für sie alle in den Tod gegangen ist, um ihnen ewiges Leben zu erwerben.
Sollten wir uns nicht alle darum bemühen, daß nach dem bisher furchtbarsten aller Kriege, in einer Zeit, da viele Länder von den Furien der Zerstörung und des Terrors heimgesucht werden, keine neuen Gräben zwischen den Völkern aufgerissen werden? Das Gedächtnis der Gefallenen, der Bombenopfer und der Greuel in den Konzentrationslagern und bei den "ethnischen Säuberungen" sollte alle Menschen guten Willens mahnen, alles in ihrer Kraft Stehende zu tun, daß sich solche Schlächtereien nicht wiederholen und das Blut der Gefallenen und aller Opfer von Krieg und Gewalt zur Versöhnung über den Gräbern werde.
|
|