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Stéphane Courtois’ "Schwarzbuch des Kommunismus" bildete nur wenige Jahre nach dem Zusammenbruch des Bolschewismus in Frankreich, aber auch in Mittel- und Osteuropa den Auftakt für eine populäre Abrechnung mit den Verbrechen der kommunistischen Regime. Dabei war die Aufnahme seines Buches durchaus unterschiedlich. Es gab linksorientierte Kritiker, die meinten, sie hätten sich nie mit dem Sowjetregime identifiziert, weshalb sie keine Abstriche von ihren Überzeugungen zu machen hätten. Andere, die die Folgen der neoliberalen Strukturen sehen, wie sie aus Übersee nach dem Krieg hier Fuß faßten, meinten, sie würden bei Zustimmung den Beifall der falschen Seite provozieren. Und endlich gab es Kritiker, die der Meinung waren, jede Aufdeckung bolschewistischer Verbrechen würde den National
sozialismus mit seinen Folgen rela- tivieren und den Deutschen damit zugleich wieder außenpolitischen Bewegungsraum verschaffen. Mit Courtois, der schon vor drei Jahren dem (4/98) ein Interview gegeben hatte, sprach unser Mitarbeiter Francisco Lozaga in Paris.

Findet Ihr "Schwarzbuch" in Frankreich und in den übrigen Ländern weiterhin starke Beachtung?

Es hat vierundzwanzig Ausgaben in der ganzen Welt gegeben. Am meisten wurde das Buch in Westeuropa verkauft, das heißt in Staaten, wo seit langem kommunistische Parteien bestanden. Die größte Auflage wurde 2000 in Italien mit 250 000 verkauften Exemplaren erreicht. Dabei ist es erstaunlich, daß in Frankreich der Verlag "Robert Laffont" insgesamt nur 200 000 Exemplare (Taschenbücher inbegriffen) verkaufen konnte. Immerhin wurde aber die deutsche Übersetzung mit über 250 000 Exemplaren auch ein großer Erfolg. Hingegen fand die englischspachige Ausgabe bisher nur 50 000 Käufer. In Rußland waren es schließlich gar nur 7000 verkaufte Exemplare. Allerdings ist jetzt eine Taschenbuchausgabe mit einer Auflage von 100 000 Exemplaren in Vorbereitung. Insgesamt gibt es nunmehr schon eine Million verkaufter Bücher, einen solchen Erfolg hatten wir keineswegs erwartet. Der Anklang in der Presse war erwartungsgemäß unterschiedlich gewesen, aber wir haben niemanden gleichgültig ge- lassen. Die Ausgaben in den Reformländern sind zur Zeit vergriffen. Besonders berührt hat mich, daß der estnische Staatspräsident das Vorwort zur Ausgabe in seinem Lande geschrieben hat. Kurz gefaßt: Wir sind vom Erfolg unseres Buches völlig überrascht.

Sie bereiten eine neue Fassung des Schwarzbuches vor. Warum?

Wir wollen der Öffentlichkeit eine Zusammenfassung der Vorwörter in den verschiedenen Sonderausgaben anbieten. Zudem möchte ich, als hauptverantwortlicher Redakteur dieses Werkes, meine persönlichen Eindrücke verarbeiten. Ich plane eine Einführung von mehr als hundert Seiten. Das Ganze wird völlig original sein. Das Buch soll wieder bei Robert Laffont erscheinen, ungefähr Anfang 2002.

Können Sie uns Einzelheiten über die von Ihnen geplante Bucheinführung nennen?

Zunächst werde ich bestimmt über den Anklang, den das Schwarzbuch gefunden hat, schreiben. Zudem möchte ich besonders den Vergleich zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus auswerten, sofern sich einer herstellen läßt, und das Thema "Totalitarismus" noch einmal behandeln. Ich möchte die Kritiken beantworten und versuchen, eine neue Synthese unter die Leserschafft zu bringen.

Die deutsche Übersetzung des "Schwarzbuches" behandelt auch das Thema "DDR". Könnten Sie näheres über dieses Kapitel sagen?

In der Originalausgabe unseres Buches, das heißt, in der französischen Ausgabe, war nichts über die DDR vorhanden. Wir hatten einfach die Repression und Unterdrückung in der SBZ unter dem Gesichtspunkt der Sowjetunion und der kommunistischen Parteien angeschnitten. Hier hat der deutsche Verlag etwas mehr gefordert. Also ergänzte Ehrhardt Neubert den Text mit einen Beitrag über die Unterdrückung in der DDR aus der Sicht eines Historikers. Zudem gab uns Pfarrer Gauck einen Text über das Phänomen "Gedächtnis und Unterdrückung". Für ihn war es wichtig zu wissen, wie die Bewohner der DDR sich mit dem Regiment der SED arrangieren konnten. Für jemanden, der in einem totalitären Staat nicht gelebt hat, ist diese Frage sehr bedeutungsvoll. Ich bewundere Herrn Pfarrer Gauck sehr. Anzumerken ist hier auch, daß ihm und Linksstehenden von hier das Wort in Berlin verwehrt wurde. Wir wollten damals eine Pressekonferenz über dieses Buch geben.

Gibt es besondere Einzelheiten, sofern sie die russische Ausgabe betreffen?

Das Buch wurde zunächst in der Duma vorgestellt. Das Vorwort schrieb Jakowlow, der vom russischen Verleger eigens dafür ausgewählt worden war. Jakowlow ist ein Intellektueller, der unter Gorbatschow Mitglied des Politbüros wurde, und gewissermaßen die "Perestroika" erfunden hat. Sein Vorwort behandelt das Thema "Bolschewismus". Wir haben viel Mühe gehabt, unser Buch in Rußland zu veröffentlichen. Ich bin der Ansicht, das frühere KGB besitzt immer noch großen Einfluß und hat sich dieser Absicht mit den bekannten Möglichkeiten widersetzt. Auf jeden Fall konnte Jakowlow als Mitglied der Duma vor diesem Plenum das Buch vorstellen.

Sie haben die Straftaten des Kommunismus gebrandmarkt. Hat Ihrer Meinung nach diese Ideologie noch eine Zukunft?

Ich glaube, daß die historische kommunistische Bewegung, wie sie mit der Oktober-Revolution entstanden ist, tot ist. Jedoch gibt es noch zahlreiche Länder, wo die Kommunisten an der Macht geblieben sind. Im Osten Europas ist jene Ideologie für die, die sie erlebt haben, endgültig tot. Im Westen unseres Kontinents scheint der Kommunismus noch eine Zukunft zu haben, die von einem antikapitalistischen Umfeld unterhalten werden könnte. In Frankreich besteht noch in einem großen Teil der Intelligenzija eine Art von "französischer Ausnahme" ("exception francaise"). Würden Sie allerdings den Nationalsekretär der französischen KP fragen, was der Kommunismus ist, dann wäre er sicherlich außerstande Ihre Frage zu beantworten.

Was halten Sie von der Umwandlung der orthodoxen kommunistischen Parteien in "sozialdemokratische" Parteien?

Ich beurteile diese Umwandlungen orthodoxer kommunistischer Parteien in sogenannte sozialdemokratische sehr skeptisch. Ich muß Ihnen sogar sagen, daß ich darüber ziemlich empört bin, daß die Sozialistische Internationale in ihrem eigenen Schoß ehemalige kommunistische Parteien aufgenommen hat und offensichtlich duldet. Sicherlich finanziert die Sozialistische Internationale jene Parteien, damit sie sich an die neuen Realitäten in Osteuropa anpassen. Trotzdem bin ich im Ganzen, wie gesagt, ziemlich empört. Was die PDS anbetrifft, habe ich unlängst in der Zeitschrift "Communisme", die ich leite, Beiträge von einem Geschichtsforscher, Patrick Moreau, der im CNRS (Centre National de la Recherche Scientifique) amtiert und sachkundig im Urteil über die extremistische deutsche Linke ist, veröffentlicht. Ich glaube, daß die PDS eine Wählerschaft verwaltet, die von alten Apparatschiks und einer orientierungslosen Jugend gebildet wird. Die Entschuldigung der PDS gegenüber der SPD wegen der Zwangsvereinigung SED/ SPD scheint mir dagegen sehr unseriös. Falls die PDS sich tatsächlich entschuldigen will, sollte sie ihre Archive öffnen, was sie aber gegenwärtig noch strikt vermeidet.

Um mit der französischen Polit-Szene zu enden, welche Zukunft kann man der französischen KP voraussagen?

Schon in den Jahren 1986 bis 1988 habe ich Beiträge geschrieben, in welchen ich das Ende der französischen KP prophezeite. Die letzten Gemeindewahlen, bei welchen die KPF eine Schlappe erlitt, sehen so wie der Gegenschlag zu den Gemeindewahlen von 1935 aus, bei denen der Durchbruch der KPF in der Pariser Vorstadt konstatiert wurde. Dann kam die Volksfront von 1936 mit fünfzehn Prozent der abgegebenen Stimmen für die KPF. 1946 konnte diese Partei sogar 29 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich verbuchen. 1981 kam sie auf fünfzehn Prozent zurück. Mit der Aera Mitterrand ist sie ständig gesunken, und Sie wissen, alle Beobachter schreiben es gegenwärtig, die Trotzkisten sollen bei der Präsidentschaftswahl 2002 besser als die KPF abschneiden. Man darf jedoch die Rolle der kommunistischen Gewerkschaft CGT ("Confédération Générale du Travail") nicht vergessen, die die Nutznießerin der Anwesenheit eines kommunistischen Transportministers in der Regierung ist und jede Privatisierung von öffentlichen Betrieben blockiert. Insgesamt wäre die Lage der KPF noch schlechter, würde sie nicht in der Regierung sitzen.

 
     
     
 
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