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Die Union, heißt es voller Vergnügen aus der bayerischen Staatskanzlei, "ist wieder da". Das war sie natürlich in den letzten Monaten auch, aber da bot die CDU mit ihrer Spendenaffäre eine Nabelschau ohnegleichen. Jetzt, so meint die bayerische Schwesterpartei, sei die Rückkehr in die Sachpolitik erfolgt. Und tatsächlich läßt die neueste Aktion, die in der Münchener Staatskanzlei erdacht und von der großen Schwester übernommen wurde, aufhorchen: CDU und CSU wollen die rot-grün e Koalition in ihrem zentralen Politik-Bereich, dem Ausstieg aus der Atomenergie, in die Knie zwingen. Nach einem Gespräch mit den Spitzen der deutschen Kraftwerkswirtschaft demonstrierten die neue CDU-Vorsitzende Angela Merkel und ihr bayerischer CSU-Kollege ihren Machtanspruch: "Ohne die Union keine Einigung über die Zukunft der Kernenergie", hieß es in einer Pressemitteilung.
Damit dürften die Kreise von Kanzler Gerhard Schröder und des grünen Umweltministers Jürgen Trittin nachhaltig gestört werden. Schröder war früher nie ein großer Freund von Forderungen, die Atomkraftwerke, die immerhin ein Drittel des westdeutschen Strombedarfs decken, vor Ende der ohnehin vorgesehenen Laufzeiten abzuschalten. Doch mußte der Kanzler Rücksicht auf seinen kleinen Koalitionspartner nehmen. Die Grünen würden am liebsten sofort aus der Kernenergie aussteigen. Trittin versuchte in der Vergangenheit mehrfach, diesem Ziel durch regelrechte Sabotageaktionen näherzukommen: So untersagte er den deutschen Kraftwerksbetreibern Transporte zur Wiederaufarbeitung der Brennstäbe. Auf diese Weise wären die Zwischenlager für verbrauchte Brennstäbe bald überfüllt gewesen, und die Betreiber hätten ihre Anlagen abschalten müssen. Doch Schröder pfiff seinen Umweltminister wieder zurück.
Mit dem entschiedenen Auftreten der Opposition hatten Schröder, Trittin und Co. offenbar nicht gerechnet. Merkel und Stoiber forderten ein Ende der Ausstiegsdebatte und erinnerten SPD und Grüne daran, daß auch die Bundesländer in Atomfragen eine Menge mitzureden hätten. Und in den für die Atomindustrie wichtigsten Ländern Bayern und Hessen regieren bekanntlich die Unionsparteien. Einen besonders wirksamen Hebel haben die Landesregierungen in allen Fragen, die die Entsorgung von atomarem Abfall, die Atomtransporte und die Zwischenlagerung betreffen. Erinnert sei nur daran, wie der damalige hessische Umweltminister Joschka Fischer (Grüne) der Regierung Kohl mit seinem Widerstand gegen alle Atomanlagen das Leben schwer machte. Jetzt probiert die Union den Widerstand über die Länder.
Aus guten Gründen hatten frühere Kanzler von Helmut Schmidt bis Kohl stets versucht, die Länder und die jeweilige Opposition in die Energiepolitik einzubinden, weil das komplizierte föderalistische System weder dem Bund noch einem einzelnen Land Alleingänge erlaubt. Nur Schröder und Trittin glaubten, sich nicht um die Fakten der deutschen Gesetzgebung kümmern zu müssen, und dürften jetzt bei ihrem Ausstiegsversuch auf die Nase fallen.
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