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Im vom 28. Juli 2001 berichteten wir über die Veröffentlichung eines von Pierre Lorrain und Victor Loupan in Frankreich verfaßten Buches unter dem Titel „Das Geld aus Moskau“ („L’argent de Moscou“ / Plon-Verlag ), das über die geheime Finanzierung der KPF informiert. Nun treffen wir Autor Pierre Lorrain in der Bibliothek des „Institut d’Histoire Sociale“, einer Sonderanstalt des Département Hauts-de-Seine, deren ständiger Mitarbeiter er ist, zu einem Interview, das Francisco Lozaga führte. Pierre Lorrain (Jahrgang 1953), Jurist, befaßt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Sowjetunion und Rußland, arbeitet für die konservativen „Valeurs actuelles“ und „Spectacle du Monde“ sowie für das Nachrichtenmagazin „L’Express“. Sein letztes Buch wurde 2000 von „Les Editione du Rocher“ mit dem Titel: „Der geheimnisvolle Aufstieg des Wladimir Putin“ („La mystérieuse ascension de Vladimir Poutine“) herausgegeben.
Um das Buch „Das Geld aus Moskau“ zusammen mit Victor Loupan zu schreiben, haben Sie in sowjetischen Archiven nachgeforscht. Gab es dabei Schwierigkeiten?
Wir haben nur einen Teil der Archive nutzen können. Es war zudem noch ein Glücksfall, daß Mit-Autor Victor Loupan sich gerade in Moskau befand, als die russischen Behörden nach dem Putschversuch von 1991 ein Gerichtsverfahren gegen die sowjetische KP anstrengten. Victor Loupan bekam also zunächst Einsicht in die ausliegenden Dossiers. Allerdings durften auch dann die Forscher nur über die Tätigkeit der sowjetischen KP und ihrer beigeordneten Ausschüsse in Dokumenten, die bis zum Ende der Komintern (1943) reichten, Kenntnis nehmen. Die sensiblen Dokumente wurden später in die Präsidentialarchive überstellt und sind inzwischen nicht mehr zugänglich. Aber immerhin sind die Dokumente über die Finanzierung der KPF, soweit sie die Komintern betreffen, vollständig. Zudem gibt es noch einige Dokumente aus der Arbeit der Politbüros. Man muß aber vermutlich davon ausgehen, daß erst in zwei Generationen die Archive zugänglich sein dürften. Auf jeden Fall konnten wir erfahren, daß noch in der Ära Gorbatschow die Sowjetunion mit rund zwei Millionen US-Dollars anläßlich der 1988er Präsidentschaftswahl in Frankreich der KPF geholfen hatte.
Sie schreiben, seit 1920 wäre die KPF von Sowjetrußland finanziert worden. Können Sie uns dazu Zahlen zur besseren Anschaulichkeit nennen?
Es ist sehr schwierig, gültige Fakten anzugeben. Die Finanzierung für ausländische Gruppierungen hat 1918 begonnen, in Richtung derjenigen sozialistischen Gruppen, die nach Moskau schauten. Für uns in Frankreich war dies also vor dem Kongreß von Tours, bei dem damals die KPF ins Leben gerufen wurde. Man kann sagen, sozialistische Gruppen wie zum Beispiel die „Gruppe Loriot“ haben damals drei Millionen France (heute etwa zwei Mrd. France) - im damaligen Wert - aus Moskau bekommen. Eine nicht eben kleine Summe, denn das war damals für politische Parteien natürlich ein immenser Betrag. Zwischen 1948 und 1989 hat die KPF nach Archiven des sowjetischen Politbüros eine Milliarde Francs erhalten. Hierbei muß ergänzt werden, daß zehntausende von Tonnen Papier umsonst von der Sowjetunion an das Zentralorgan der KPF („L’Humanité“) geliefert wurden, ohne hierbei noch die Einnahmen für die KPF aus Scheinfirmen, die mit dem Ostblock Handel führten, zu erwähnen.
Gibt es noch immer geheime Finanzierungsquellen der KPF, insbesondere aus den kommunistischen Staaten, die den Zusammenbruch der Sowjetunion überlebt haben?
Das ist schwierig zu beantworten, weil wohl nur Geheimdienste mit Beweiskraft nachfassen könnten. Aber gegenwärtig ist die Lage der KPF nicht übermäßig blühend, weshalb ich anehme, daß die KPF derzeit weder von Kuba noch von Vietnam finanziert wird. Was Nordkorea und China anbelangt, so stehen diese beiden Staaten zur Zeit auf nicht besonders gutem Fuß mit der KPF. Ich meine, Peking würde eher ehemalige maoistische Netze finanzieren. Andererseits bestehen aber noch zahlreiche Firmen der KPF, die in Verbindung mit dem ehemaligen Ostblock stehen. Erwähnt werden müssen auch zahlreiche Scheinfirmen der KPdSU, die noch tätig sind, besonders in Zypern, obgleich sie naturgemäß jetzt passiver geworden sind.
Gibt es denn noch eine Kommunistische Internationale?
Sicherlich. Mekka dieser Internationale ist Paris. Orthodoxe kommunistische Parteien haben sich inzwischen an die KPF angelehnt. Die Netze dieser Internationale sind etwa denjenigen ähnlich, die einst die trotzkistische Vierte Internationale kennzeichneten. Paris ist viel eher das Zentrum dieser kommunistischen Internationale als Havanna oder Hanoi. Bei der KPF bestehen noch Strukturen, die funktionsfähig sind, wenn auch das Gerede insgesamt lockerer geworden ist. Es hat den Anschein, daß die KPF vom Klassenkampf zu der etwas diffuseren Logik eines modischen Internationalismus übergegangen ist. Zugleich mißtrauen aber die französischen Kommunisten allen anderen internationalistischen Gruppierungen wie etwa „Greenpeace“ sehr.
Nach dem Volksblatt „Le Parisien“ waren 60.000 Leute beim letzten Fest von „L’Humanité“ anwesend. Was halten Sie davon?
Ich denke, das ist für eine Stadt wie Paris nicht viel. Das Fest von „L’Humanité“ versucht die Überbrückung zwischen KPF und ziviler Gesellschaft. Aber man muß dies auch mit früher vergleichen: Vor mehreren Jahren waren noch Hunderttausende Menschen bei solchen Veranstaltungen anwesend. Ich denke, daß derzeit das Fest der trotzkistischen „Lutte ouvrière“ inzwischen fast so viele Leute wie früher anzieht. Denn es sind teilweise diesselben Leute, die diese beiden Veranstaltungen besuchen.
Sind Sie der Meinung, es bestehen erhebliche Differenzen innerhalb der KPF in Sachen internationaler Terrorismus?
Ja. Dies scheint mir ganz klar erwiesen zu sein. Für die KPF ist das Problem gegenwärtig immer eigentlich nur dasjenige, nicht mögliche Zielscheibe dafür sein zu wollen. Die KPF hat den Terrorismus immer verurteilt, insofern er von der KPF nicht selbst oder von befreundeten Bewegungen wie dem algerischen FLN oder der IRA und der ETA praktiziert wurde. Jetzt muß der Nationalsekretär der KPF, Robert Hue, mit der öffentlichen Meinung in Frankreich rechnen. Andere Führer der KPF wie Maxime Gremetz sind eher Ideologen. Die in den USA jüngst geschehenen Terror-akte machen die Debatte natürlich aktuell. Für die KPF sollte das ganze Gerede darüber in einem Zusammenhang mit den Wahlen des nächsten Jahres in Frankreich erneut beleuchtet werden.
Welche Stellungnahmen dürften die gegenwärtig noch existierenden kommunistischen Staaten angesichts des Krieges abgeben, auf welchen sich die Vereinigten Staaten gerade jetzt vorbereiten?
Das gegenwärtige Problem kommunistischer Staaten ist ihr mittelfristiges Überleben. Sogar in China ist ein Abweichen nach sowjetrussischer Art nicht mehr auszuschließen. Die Ereignisse auf dem Platz des Himmlischen Friedens könnten also wiederkehren. Immerhin, Fidel Castro und die vietnamesischen Behörden haben die Anschläge auf die USA verurteilt. Was übrigens China angeht, so wurden unlängst Aufstände von moslemischen Minderheiten im Westen des Reiches der Mitte registriert. China war nicht Major Massud entgegengestellt. Meines Erachtens nach versucht aber China, sich als vernünftig darzustellen. Eine Annäherung an die USA könnte Peking dazu verhelfen, endlich auch einen Anfang von Lösung für die Frage der Vereinigung mit Taiwan zu finden. Nordkorea, das von den USA als „Schurkenstaat“ eingestuft wird, unterstützt nicht die afghanischen Talibane und Usama bin Ladin. Insgesamt sieht es so aus, als wäre es für alle Staaten vorteilhaft, einen gemeinsamen Feind zu haben. Für die kommunistischen Staaten ist es wichtig, hier immer noch ganz auf propagandistische Wirkung eingestellt, als staatspolitisch vernünftig zu gelten.
Herr Lorrain, wir bedanken uns für dieses Gespräch.
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