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Ein hartes Stück Arbeit", liegt nach den Worten des SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck hinter der deutschen Politikerriege, nachdem sie die sogenannte Föderalismusreform "in trockenen Tüchern" hat, wie man zu sagen pflegt. Kleine Expertenrunden hatten jahrelang an Grundgesetz änderungen getüftelt und Partei- und Fraktionsspitzen Kompromißpakete für Änderungen des Grundgesetzes ausgekungelt. Ein riesiger, kaum überschaubarer Verschiebebahnhof staatlicher Aufgaben vom Bund zu den Ländern und von den Ländern zum Bund wurde aufgeräumt, vieles davon ist vernünftig und seit langem überfällig. Aber eine Staatsreform, die Deutschland zukunftstauglich macht, ist das alles nicht, denn bei alledem wurde, man glaubt es kaum, die Reform der Finanzverfassung "außen vor gelassen". Diese soll nunmehr angedacht und zügig vorbereitet werden, heißt es. "Denn", so sagte dazu Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, "immer dann, wenn es ums Geld geht, dann wird es komplizierter, noch mal schwieriger. Dann will auch jeder wissen, was hinten raus kommt für sein Land ..."
Und erst dann, wenn diese neue Finanzverfassung endlich stehen wird, also erst dann, vielleicht auch erst am St. Nimmerleinstag, soll auch die Länderneugliederung "angedacht" werden, aber nur "vielleicht", wie es heißt. Diese Neugliederung der Bundesrepublik Deutschland aber ist das Wichtigste, was es bei einer wirklichen Staatsreform zu bedenken und zügig umzusetzen gilt. Die Kleinstaaterei der 16 Bundesländer mit unterschiedlichen Strukturen, je einer Landesregierung samt ihren personellen Apparaten und rund 1000 Abgeordneten hat zu wirtschaftlicher Stagnation und in ihrem ureigensten Zuständigkeitsbereich der Kultur- und Schulpolitik zu dem geführt, was unter der Bezeichnung "Pisa" zu traurigem Ruhm gelangt ist.
Unter der Tarnbezeichnung "Föderalismusreform" ist nunmehr dieses 16-Ländersystem dadurch festgeschrieben worden, daß die beschlossenen Verfassungsänderungen in das überholte System gepreßt werden und dieses dadurch gefestigt wird.
Damit wird das aus den Zufälligkeiten des Zuschnitts von Besatzungszonen stammende System der 16 Bundesländer festgeschrieben. Es hätte jedoch schon spätestens in den frühen 90er Jahren nach dem Beitritt der sogenannten "neuen Länder" zur Bundesrepublik Deutschland überwunden werden und ein auf acht Bundesländer gegründetes föderalistisches Deutschland geschaffen werden müssen. Nach dieser "Länderneugliederung" hätten die Deutschen "westlicher" und "östlicher" Sozialisation, also die "Wessis" und "Ossis", als das leben können, was sie sind, nämlich als "ein Volk". Die ehemalige Zonengrenze hätte nicht weiter "alte" und "neue" Bundesländer unterschieden. Doch diese Chance zur Neugründung der Bundesrepublik Deutschland wurde versäumt.
Als jetzt im Zusammenhang mit der Föderalismusreform Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger zarte Andeutungen zum Thema "Länderneugliederung" machte, stieß er bei seinen Ministerpräsidentenkollegen auf Ablehnung. In einem Rundfunkinterview meinte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zu einer "zentralen Neugliederung aller Länder" kurz und bündig: "Die wird es nicht geben. Da gibt es keine Mehrheiten." Und weiter: "Wer ein bißchen in die Geschichte Deutschlands hineinsieht, der wird sehen, daß wir in Deutschland immer dann gute Zeiten hatten, wenn der Föderalismus stark war. Und es war immer schlecht, wenn es in Richtung Zentralismus ging. Ich glaube nicht, daß es ein Fehler ist, daß wir große Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen haben und kleine Länder wie die Stadtstaaten. Sondern das macht den Föderalismus bunt, das macht das Land bunt, und das ist auch gut so." Soweit Rüttgers, der damit nicht nur das gegenwärtige deutsche Dilemma aufzeigte, gleichzeitig sein "altes Denken" verriet und damit zugleich die Reform- und Zukunftsfähigkeit Deutschlands drastisch in Frage stellte.
Die in diesen Tagen offiziell als "Mutter aller Reformen" bejubelte Föderalismusreform in ihrer jetzt verabschiedeten Form ist schon zu Zeiten rot-grünen Schröder / Fischer-Regierung vom Gespann Stoiber (Bayern) / Müntefering (SPD) auf den Weg gebracht und in ihrer beiden Sinne betreut worden. Sie entpuppte sich nach der vorgezogenen Bundestagswahl als Projekt einer Art "Großkoalition" von Länderchefs mit einer von den beiden Unionsparteien und der SPD gestellten Mehrheit in Bundestag und Bundesrat.
Mehrheiten dieser Art von Großer Koalition hätten theoretisch die Chance zu "neuem Denken" geboten und darin sogar ihre eigentlich staatspolitische Begründung finden können. Statt dessen haben sie das Reform-Pferd vom Schwanz her aufgezäumt und das Ende entweder gar nicht oder nur im Hinterkopf bedacht, wobei kurzsichtige Eigeninteressen die Hauptrolle spielten.
Deutschland ist dabei, erneut eine große Chance staatspolitischer Erneuerung zu verpassen, indem es die Länderneugliederung als gesamtstaatliche Aufgabe vernachlässigt. Statt 16 Bundesländer als gegeben hinzunehmen und diese auch noch offiziell in Brüssel auftreten zu lassen, sollte Deutschland, auf acht Bundesländer gegründet, seine Aufgaben in einem Europa demokratischer Nationalstaaten wahrnehmen.
Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sagte dazu: "Die Chaotisierung der deutschen Außenpolitik durch die Länder in Brüssel muß irgendwann ein Ende haben." Warum nur, so fragt man sich, kommt die Vernunft erst dann zum Ausdruck, wenn man nicht mehr im Amt ist? |
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