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Frank Fischer hat die besten Anlagen, um die vermeintlich langweilige Historie einer Stadt genießbar zu schildern. Mit schriftstellerischer Bravour und quellengesättigt hat er eine spannende Erzählung geformt. Die tragische Heldin: die Stadt Danzig.
Der Autor beginnt das tausendjährige Drama gleich mit dem brutalen Tod der Heldin. In einem blutigen Feuerwerk geht die zur Festung erklärte und erbittert verteidigte Stadt Danzig am 29. März 1945 endgültig unter.
Fischer, der bisher vor allem zur Geschichte der SPD publiziert hat, kann in diesem Kapitel seine politisch korrekte Haltung freilich nicht verbergen und leistet sich bei der Bewertung des Verhaltens der sowjetischen Eroberer einen gänzlich unhaltbaren Vergleich zu dem Gebaren siegreicher Wehrmachtsoldaten. "Die Bilder ähnelten sich: Eine betrunkene, aufgeputschte Soldateska konnte ihren niedrigsten haßerfüllten Rachegelüsten durch Plünderung, Raub, Vergewaltigung, Erschießungen, Totschlag, Mord und Brandschatzung freien Lauf lassen", so Fischer. Liest man sich durch solchen Unsinn hindurch, so stößt man jedoch auch auf eine umfassende Schilderung der sinnlosen Gewalt der Sowjets gegen die Stadt.
Mit der so aufgebauten Spannung gleitet Autor Fischer in das Leben der Stadt, dessen Nachruf er mit seinem Buch "Danzig - Die zerbrochene Stadt" vorgelegt hat.
Immer wieder historische Zitate heranziehend beschreibt der Autor das Leben des selbstbewußten und stolzen "Venedig des Nordens". Danzig, unsere Heldin, bleibt die längste Lebenszeit ledig und selbstbestimmt. Zwar begibt sich die höchst eigennützige Hanseatin je nach Dominanzverhalten und Belagerungserfolg der Werber unter oft wechselnde Schutzherrschaft des Deutschen Ordens, Polens, Sachsen-Polens, Schwedens, Frankreichs, Preußens, des Völkerbunds und des Deutschen Reichs. Dennoch, die Wirtschaftsmetropole der Ostsee vermag ihre Privilegien die längste Zeit zu wahren.
Auf Preußen hat sich Danzig wohl am wenigsten gefreut, denn mit seiner Herrschaft endet auch die Zeit der Privilegien.
Aber auch hier gilt "das geflügelte Zeitwort: ,Niemand wird Preuße denn aus Not. Ist er s geworden, dankt er Gott. ", wie der Autor meint. In der Tat, die Heldin hat sich lange vor Preußen geziert. Doch durch Wirtschaftsblockade ausgezehrt, stellte sich die zwangsverheiratete Stadt schnell auf die umfangreichen Änderungen (Beseitigung hanseatischer Verfassungsrelikte und Einführung des Allgemeinen Preußischen Landrechts) ein. Die Ehe mit Preußen verläuft glücklich.
Es darf daher wenig verwundern, wenn unsere Heldin die Zwangsscheidung von Preußen 1919 und das Dasein als Freistaat wenig ersprießlich findet.
Die Wiedereingliederung in das Deutsche Reich wird zwar noch mit breitem Jubel aufgenommen. Doch schon im Mai 1941 - Hitler besucht zum zweiten Mal Danzig, seine Armeen sind auf allen Schlachtfeldern noch immer siegreich (zuletzt auf dem Balkan) und den ersten Luftangriff erlebt die Stadt erst im Juli 1942 - wird der Besuch des Führers nicht mit Jubel quittiert. Blumenteppich-Inszenierungen entfallen, Sachlichkeit prägt das Bild.
Es kommt wie es kommen muß, die Heldin stirbt. Doch Danzig wäre nicht Danzig, wenn die stolze Stadt nicht auch eine Solidarnosc-Bewegung hervorbrächte. Fischer schließt mit einem Ausblick in die Zukunft.
Leider endet das Buch auch wie es beginnt, mit dumpfer politischer Korrektheit. Völlig unnötig nennt Fischer die Stadt ab Kriegsende konsequent nur noch Gdansk. G. Langer
Frank Fischer: "Danzig. Die zerbrochene Stadt", Propyläen Vlg., Berlin 2006, 416 Seiten, 24,90 Euro 5463 |
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