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Nach 1989 schien die Auferstehung der Kino-Traumfabrik in den legendären Studios von Babelsberg zum Greifen nah. Nun hat der französische Vivendi-Konzern die Studios an die Investoren Christoph Fisser und Carl Woebcken verkauft - für einen symbolischen Euro. Das bedeutet das vorläufige Ende der Hoffnungen. Woebcken ist Geschäftsführer der Berlin Animation Film GmbH (BAF), die für einen von der Dresdner Bank aufgelegten Film-Fonds Zei-chentrickfilme produziert. Es heißt, das Unternehmen sei wegen Terminverzögerungen und Qualitätsproblemen mehrfach in Schwierigkeiten geraten. Die BAF dagegen versicherte, Woebcken habe als einer der beiden Geschäftsführer "den Fonds wieder ins richtige Fahrwasser" gebracht.
Wie dem auch sei, die Umstände des Verkaufs sind ein neuer Tiefpunkt in der Geschichte des einst bedeutendsten Filmstandorts in Europa. Seine Anfänge reichen bis 1911 zurück, 1917 wurde er von der neugegründeten Ufa übernommen. Hier drehte Fritz Lang in den 20er Jahren seine Klassik er "Die Nibelungen" und "Metropolis". Mit Babelsberg sind Namen wie Marlene Dietrich, Lilian Harvey, Brigitte Horney, Marika Rökk, Kristina Söderbaum, Johannes Heesters und Heinz Rühmann verbunden. Allein 1933 bis 1945 entstanden rund 1.000 Spielfilme, gearbeitet wurde bis zuletzt. Mit Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns", Hildegard Knefs Karrieredebüt, wurde bereits 1946 die Nachkriegsära eröffnet, die von der DEFA geprägt wurde. Als tragisch erwies sich das Jahr 1965, als nach einem berüchtigten Kulturplenum zahlreiche systemkritische Streifen wie Frank Beyers "Spur der Steine" - mit Manfred Krug in der Hauptrolle - oder "Das Kaninchen bin ich" nach einem Roman von Manfred Bieler verboten wurden. Damit war die Chance auf eine eigenständige DDR-Filmkunst vertan.
Nach dem Mauerfall schien es möglich, Babelsberg wieder in eine florierende Filmstadt zu verwandeln. Der Vivendi-Konzern investierte Millionen. Der Fundus an Kostümen, Kulissen, Asservaten ist unerschöpflich. Regisseur Volker Schlöndorff ("Die Blechtrommel") engagierte sich acht Jahre lang als Geschäftsführer. Im Glanz des "Marlene"-Mythos sollten hier internationale Produktionen entstehen. In der Zwischenzeit würden - wie Schlöndorff formulierte - "Butter und Brot" durch TV-Produktionen verdient werden. Doch ARD und ZDF produzierten lieber in Hamburg, Köln oder München. Und internationale Filme wie der Zweiteiler "Katharina die Große" und Anauds Stalingrad-Epos blieben Mangelware. Prag ist billiger. Auch Schlöndorff produziert sein neuestes Werk in Prag, obwohl er nur 500 Meter von den Babelsberger Studios entfernt wohnt.
Der Betriebsrat der Studios hat Bundeskanzler Schröder (SPD) aufgefordert, sich für den Erhalt des Standortes einzusetzen. In einem offenen Brief, den Betriebsratschef Jan-Peter Schmarje persönlich im Kanzleramt überreichte, heißt es, nach dem Verkauf an zwei weithin unbekannte Investoren sei "die Zukunft des Produktionsstandortes und der damit verbundenen 200 festen sowie produktionsbedingt bis zu 2.000 Arbeitsplätze" gefährdet. Die neuen Inhaber sind in ihren Augen unseriös. Vorgesehene Produktionen wie die des Hollywood-Abenteuers "Mission Imposible III" seien gefährdet.
Inzwischen haben die neuen Herren ihre Pläne erläutert und hinterließen gemischte Gefühle. Von den über 200 festen Mitarbeitern sollen "nur" 50 gehen. Der Betriebsrat hatte mit mehr gerechnet und ist daher "erleichtert". Was die Investoren inhaltlich vorhaben, steigert indes die Zurückhaltung noch. Zwar solle, so beteuern sie, Babelsberg auch weiterhin für großes Kino stehen, doch in der Praxis will man sich vor allem für TV-Formate wie die RTL-Serie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" empfehlen und die Zusammenarbeit mit dem NDR und dem ebenfalls eher als Fernsehmacher profilierten Studio Hamburg verstärken. Das klingt nach schnellem Geld mit beliebiger Alltagsware. Die bloße Beschwörung alter Mythen reicht nicht aus, um im globalen Konkurrenzkampf zu bestehen.
Aber das Scheitern von Babelsberg wirft noch weitere Fragen auf. Vor allem: Ist man in diesem Land überhaupt an einer originär deutschen Filmkunst interessiert? Ist diese mit dem Kulturförderalismus vereinbar? Der Umfang der staatlichen Filmförderung ist lächerlich gering, andererseits eröffnen die Gesetze in Deutschland potenten Steuerzahlern die Möglichkeit, die großen Hollywood-Filme über Abschreibungen mitzufinanzieren. Volker Schlöndorff stellte in einem Zeitungsinterview die Frage: "Warum verfilmen die Europäer die Ilias nicht selbst?" Die Frage ist nicht nur mit Geld zu beantworten.
Versprechen "großes Kino" auf den ehemaligen Ufa-Studios - doch auf ihrem Programm steht erst einmal profitable Dutzendware wie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" für RTL:
Die Münchener Investoren Christoph Fisser (l.) und Carl Woebken erwarben die Babelsberger Traumfabrik für einen symbolischen Euro. |
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