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Vergangenheitsbewältiger stürzen sich naturgemäß primär auf die größeren, lukrativeren Happen. Doch eine Volksweisheit besagt, "Kleinvieh macht auch Mist", und so kommt jetzt sogar Liechtenstein dran. Immerhin hatte es dieses Land unterlassen, dem Dritten Reich den Krieg zu erklären was Kollaboration bedeutet, wenigstens für Elan Steinberg, den Exekutivdirektor des Jüdische n Weltkongresses. Ihm zufolge sei das Fürstentum verlängerter Arm der Schweizer Banken gewesen und habe "Nazi-Gelder" gewaschen.
Vom Schweizer Exempel gewarnt, durchstöberten die Liechtensteiner mittlerweile ihre Archive und mußten dort tatsächlich drei "nachrichtenlose Konten" mit insgesamt 3000 Fränkli Einlage entdecken. Aber ganz nach Schweizer Vorbild installierten nun auch sie eine Historiker-Kommission in der Hoffnung, diese werde Klarheit schaffen.
Wie stark der Druck aus New York sein muß, läßt sich daran ermessen, daß die Kommission "paritätisch" zusammengesetzt ist: Neben dem liechtensteinischen Vorsitzenden und zwei Schweizern sind nämlich auch zwei Israelis sowie die einschlägig bekannte Erika Weinzierl nominiert. (Weinzierl ist Kuratoriumsmitglied des "Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands", das man laut Gericht "Privat-Stasi", "kommunistische Tarnorganisation" und "polypenartige Institution" nennen und dem man "linksextreme Subversion", "gesinnungsterroristische Kampagnen", "Lüge, Fälschung und Denunziation", "Geschichtsfälschungen und Verdrehungen" sowie "pseudowissenschaftliche Aufmachung" vorwerfen darf!)
Historiker-Kommissionen können aber, selbst wenn sie noch so ehrlich arbeiten, falsche Vorwürfe nie entkräften: Denn die vielen Einzelheiten, die nach jahrelanger Forschung feststehen, interessieren das Publikum nicht, beim "Endbericht" lassen sich politische Rücksichten ohnehin nie vermeiden, und just eine nicht pseudowissenschaftliche Studie ermöglicht es am ehesten, Anschuldigungen aufrechtzuerhalten durch selektives Zitieren!
Umso mehr ist es angebracht, ein paar Fakten in Erinnerung zu rufen: Liechtenstein war 1945 ein armes Land, denn kriegsbedingt gab es nicht einmal den Fremdenverkehr. In der Nacht zum 3. Mai 1945 traten die bewaffneten Reste der Holmston-Armee, knapp 500 Mann, von Vorarlberg aus auf liechtensteinisches Gebiet über, bevor ihnen die vorrückenden Franzosen den Weg abschneiden konnten. (Am Grenzübergang Schellenberg befindet sich heute eine Gedenktafel.)
Das unbewaffnete Liechtenstein mit damals 12 000 Einwohnern befand sich in einer prekären Lage, denn die asylsuchenden Soldaten waren Russen, die auf deutscher Seite gekämpft hatten, und die Alliierten verlangten deren Auslieferung! Das kleine Land erdreistete sich, dem massiven Druck zu widerstehen, und es dauerte drei Jahre, bis alle Bedrohten anderswo Aufnahme gefunden hatten. (Weniger glück-lich waren die übrigen russischen Verbände, darunter Don-Kosaken samt Familienangehörigen, sowie kroatische und slowenische Heimwehren, die sich in Kärnten zu Zehntausenden den Briten ergeben hatten, aber von diesen an die Schergen Stalins und Titos ausgeliefert und auf brutalste Weise massakriert wurden.) Für Alexander Solschenizyn jedenfalls war es selbstverständlich, kurz nach seiner Ausweisung aus der Sowjetunion Vaduz zu besuchen, um sich bei Fürst Franz Joseph II. zu bedanken.
Der heutige Druck auf Liechtenstein ist jedoch "vielschichtig", und die Vergangenheitsbewältiger haben mächtige Verbündete: Denn Bankgeheimnis und Steuergesetzgebung der Kleinstaaten sind manchen Großen ein Dorn im Auge, wobei es weniger um die Bekämpfung von gewiß vorkommenden Mißbräuchen geht, als um die Ausschaltung konkurrierender Finanzplätze. Östereich jetzt eine EU-Satrapie ist bereits abgehakt, die Schweiz leistet nur hinhaltenden Widerstand, und Liechtenstein wird auch bald weich sein. (Die Inseln im Ärmelkanal und in der Karibik haben zu ihrem Glück keine "Vergangenheit".)
Die Vergangenheit könnte aber andere einholen! Durch die von Fürst Hans Adam II. jüngst eingebrachte Entschädigungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland wird die Öffentlichkeit zwangsläufig mit jenen völkerrechtswidrigen Dekreten konfrontiert, die in den EU-Bewerberländern Tschechien und Slowenien weiterhin "Rechtsbestand" sind: Denn die liechtensteinischen Besitzungen in der Tschechoslowakei wurden mittels der Benesch-Dekrete enteignet, und obwohl die Liechtensteiner weder am Zweiten noch am Dritten Reich beteiligt waren, bezeichnete das deutsche Bundesverfassungsgericht diese Besitzungen 1998 als "deutsches Auslandsvermögen", welches zur Begleichung deutscher Kriegsschulden herangezogen werden könne! Man darf also gespannt sein, in welchem Ausmaß die EU-Erweiterungs-Lobby auf das Gerichtsverfahren selber beziehungsweise auf die Berichterstattung darüber Einfluß nehmen wird.
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