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Wenige Tage vorher hat der deutsche Innenminister Schily, früher Grüner, heute SPD, in Berlin auf einem Kongreß "Religion Ethnien Staat", ausgerichtet von seinem Ministerium, genau das Gegenteil gefordert, nämlich, wenn man der Berichterstattung der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" folgt, daß dieses Selbstbestimmungsrecht den Völkern verwehrt werden solle.
Daß ein deutsches Regierungsmitglied der von den USA angestrebten Politik widerspricht, ist ungewöhnlich, doch mag es sein, daß dem Minister Schily, dessen überbordende Betroffenheit mehr als einmal zu erstauntem Kopfschütteln Anlaß gab, in Berlin der Gaul durchgegangen ist. Die strikte Ablehnung des Selbstbestimmungsrechts entlarvt ein merkwürdiges demokratisches Verständnis. Laut FAZ hat er behauptet, die Forderungen des kulturell und sprachlich geprägten Volkes nach einer eigenen Nation seien "erst im 20. Jahrhundert von totalitären Staaten absolut gesetzt worden und haben zuletzt in die verbrecherischen Absolutismen dieser Epoche geführt".
Diese Ausführungen lassen auf Lücken in seinen Geschichtskenntnissen schließen. Daß Völker selbst bestimmen wollen, ob sie eine Nation bilden und damit in einem eigenen Staat leben, ist das Ergebnis der Französischen Revolution aus dem 18. Jahrhundert. Vorher war der Bürger nur Untertan, der keineswegs das Recht hatte, in seinem Gemeinwesen mitzuwirken und mitzubestimmen. Er verharrte passiv unter der Herrschaft der Fürsten. Gerade weil er diesen Zustand nicht mehr dulden wollte, gab es die Revolution von 1789. Aus dem passiven Untertanen wurde der aktive, engagierte Bürger, der sich seinem Gemeinwesen gegenüber verpflichtet fühlte und deshalb auch mitreden und mitbestimmen will, und zwar auch darüber, ob er seinen eigenen Staat, regiert von Mitgliedern seines Volkes und nicht von Vertretern eines fremden Volkes haben will. Das hat mit Totalitarismus überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil: Es ist eine signifikante demokratische Forderung. Wer dieses Prinzip ablehnt, will den Bürger zurückstoßen in die Rolle des Untertanen.
Tatsächlich hat Innenminister Schily ausdrücklich den Begriff "Selbstbestimmungsrecht der Völker" heftig kritisiert, wie er nach dem Ersten Weltkrieg in 14 Punkten des amerikanischen Präsidenten Wilson zugrunde gelegen habe. Dieses Konzept habe, so Schily, jeder Ethnie (also jedem Volk) das Recht auf einen eigenen Staat versprochen. Das aber habe zu Kämpfen geführt, so der Innenminister. Darum lehne er das Selbstbestimmungsrecht ab.
Also zurück zu Zuständen, wie sie in den Vielvölkerstaaten Sowjetunion, in Jugoslawien, in der Tschechoslowakei herrschten. In ihnen waren Völker zusammengepfercht, die vorher nicht danach gefragt worden waren. Die Kunstgebilde, die nicht auf dem Selbstbestimmungsrecht basierten, waren Produkte von Imperialisten oder von Siegermächten des Ersten Weltkrieges. Sobald der Druck, mit dem sie zusammengezwungen waren, nachließ, explodierten sie, und der so lange verweigerte Wille der Völker nach Selbstbestimmung kam zum Durchbruch. Grund für diese Konflikte war nicht das Selbstbestimmungsrecht, wie Schily meinte, sondern gerade das Gegenteil: daß man ihnen das Selbstbestimmungsrecht verweigert hatte.
Erschreckend ist es festzustellen, daß Bundesinnenminister Schily in der Ablehnung des Selbstbesimmungsrechtes der Völker in die Fußstapfen von Marx und Engels tritt. Diese beiden Urväter des Kommunismus, auf deren Konto 80 Millionen Tote gehen, bestritten den kleinen Völkern das Recht auf selbständige nationale Existenz. Sie sprachen von "Völkerabfällen" und hatten nichts dagegen, daß sie "gänzlich vertilgt" würden. Zu diesen "Völkerabfällen" gehörten nach Marx und Engels alle slawischen Völker der Habsburger Monarchie, also auch die Völker des Balkans, um derentwillen zur Zeit die Nato Krieg führt. Und nun meint Minister Schily, diese verstaubten Gedankengänge wieder aufnehmen zu müssen.
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