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Böhmen: 660.000 nasse Bücher

 
     
 
Der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann hat im vom 7. September bereits auf die verheerenden Hochwasserschäden im Prager Militärarchiv hingewiesen.

Dabei betonte er, daß aus deutscher Sicht als besonders wichtig einzustufende Dokumente zur Vertreibung der Sudetendeutschen mit betroffen sein könnten. Dies erfordere ein rasches Handeln der Bundesregierung, um bei der Rettung der Archivalien mitzuhelfen, so Hohmann.

Ebenso wie für das Militärarchiv ist eine bundesdeutsche und österreichische Unterstützung aber auch hinsichtlich einer Vielzahl anderer von den Wassermassen in Mitleidenschaft gezogener Bibliothek
en und Archive gefragt. Schließlich gehörte Böhmen jahrhundertelang zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und ist von deutscher Kultur mitgeprägt worden.

Das Hochwasser der Elbe und der Moldau hat in den Dokumentationsstätten des Landes regelrechte Berge durchweichter und vom Schlamm verschmutzer Papiere hinterlassen. Die Ausmaße deutete Veit Richter an, der als stellvertretender Leiter der Prager Nationalbibliothek eine Koordinierungsstelle zur Schadensaufnahme eingerichtet hat, indem er Anfang September gegenüber Radio Prag erklärte: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir Informationen darüber, daß mindestens 50 Bibliotheken betroffen sind. Regional betrachtet sind die Schäden in Leitmeritz am größten, gefolgt von denen in Melnik. An dritter Stelle dieser traurigen Bilanz steht Prag.“

In der Hauptstadt wurden vor allem große und wertvolle Bibliotheken wie die Stadtbibliotkek, die Bibliothek der juristischen Fakultät der Karls-Universität oder die Bibliothek der Akademie der Wissenschaften massiv geschädigt. Die Zahl der durchnäßten und verschmutzen Bücher schätzt Richter auf rund 660 000.

In der Bibliothek des Instituts für Archäologie der Akademie der Wissenschaften stand das Wasser bis zu drei Metern hoch, desgleichen in den im Gebäude des Militärarchivs untergebrachten Archiven für Geschichte, Architektur und Flugwesen. Dort riß die Wucht der Wassermassen ganze Regale aus den Verankerungen.

Die beschädigten Exponate sind einstweilen in überdimensionalen Gefrierschränken eingelagert. Zu den Möglichkeiten einer zumindest teilweisen Wiederherstellung äußerte sich der von tschechischer Seite hinzugezogene deutsche Archivrestaurator Norbert Schempp gegenüber Radio Prag wie folgt: „In der Schadensmenge, wie sie hier vorliegt, gibt es nur eine technische Möglichkeit, dieses Wasser aus dem Archiv- und Bibliotheksgut herauszuziehen, das ist die sogenannte Gefriertrocknung.

Wasser hat ja drei Formen: fest, dann ist es Eis, flüssig, dann ist es Wasser, gasförmig, dann ist es Wasserdampf. Bei der Technik der Gefriertrocknung wird der feste Aggregatzustand (...) direkt in den gasförmigen Zustand sublimiert, so daß die flüssige Phase gar nicht durchlaufen wird (...) und die Blätter nicht mehr schimmeln (...) und die Nässe aus den Büchern herausgezogen wird.“

Die starken Verschmutzungen müssen so weit wie möglich durch eine Trockenreinigung beseitigt werden, fügte Schempp hinzu. Doch auch hier warnte er vor allzu viel Optimismus: „Tinten, beispielsweise, die durch die Feuchtigkeit (...) ausgelaufen sind, oder deformierte Deckel sind natürlich sehr aufwendig zu restaurieren und bei den Hunderten von Tonnen Archiv- und Bibliotheksgut kaum zu machen.“

Angesichts des gewaltigen Umfangs an geschädigtem Material und des Schweregrades der Flutspuren sowie der daraus resultierenden Kostenexplosion geht der deutsche Spezialist davon aus, daß „nur eine ganz, ganz geringe Menge“ in den früheren Zustand versetzt werden kann.

Im Sinne der Erhaltung des gemeinsamen mitteleuropäischen Kulturerbes ist nur zu wünschen, daß hier letztlich doch vieles erreicht wird, was heute niemand zu hoffen wagt. Petra Schirren
 
     
     
 
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