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Anglizismen werden zu Recht angeprangert. Doch manchmal sind sie vertretbar, nämlich wenn das Übersetzte viel zu schwerfällig wäre oder die im Original steckende Meinungsmanipulation nicht zum Ausdruck brächte. So etwa bei "Insider Trading", hier abgekürzt "I-T": Es klingt zwar recht harmlos, ist aber ein Verbrechen, ein Betrugsdelikt im Börsenhandel.
Man könnte viel Geld verdienen, wüßte man im vorhinein und ohne Mitwisser, wie sich Börsenkurse entwickeln. Es reicht aber auch ein Vorauswissen über Ereignisse, welche zwangsläufig die Kurse eines Unternehmens beeinflussen. Und es gibt Personen, die solches Wissen besitzen und mißbrauchen! I-T ist die verbotene Nutzung vertraulicher Informationen - nicht zu verwechseln mit (erlaubter) Spekulation.
Nehmen wir an, eine Gesellschaft erleidet unerwartete Verluste. Dann folgt auf die Bekanntgabe ein Kurssturz. Wer an der Abfassung des Geschäftsberichts beteiligt war, weiß dies natürlich schon vorher, und groß ist die Versuchung, eigene Aktien, falls man welche hat, rasch zu verkaufen. Man kann aber auch "Leerverkäufe" tätigen, also Aktien, die man nicht hat, auf Termin verkaufen, um die Lieferverpflichtung mit Aktien abzudecken, die man erst zu dem entsprechenden Termin und nach eingetretenem Kurssturz billig einkauft! Oder man kann eine "Put-Option" erwerben. Es ist dies das Recht, eine Aktie zu einem Stichtag zu verkaufen. Ist bis dann der Kurs gesunken, kann man die Option ausüben (analog zum Leerverkauf) oder sie mit Gewinn verkaufen.
Im Prinzip, wenngleich meist weniger lukrativ, funktioniert I-T auch in die andere Richtung: Weiß man als "Insider", daß der Forschungsabteilung ein besonderer Durchbruch gelungen ist, kann man schnell Aktien der eigenen Firma kaufen, um sie nach dem unweigerlich folgenden Kursanstieg mit Gewinn zu verkaufen. Oder noch besser, man kann eine "Call"-Option erwerben. Es ist dies das Recht, eine Aktie zu einem bestimmten Kurs zu kaufen. Nach eingetretenem Kursanstieg ist dieses Recht ein Vielfaches dessen wert, was man dafür bezahlen mußte. Man spricht deshalb von einer "Hebelwirkung" der Optionen.
Wer wird durch I-T geschädigt? Prinzipiell alle, die gutgläubig Aktien oder Optionen kaufen und verkaufen, indirekt aber auch Mitarbeiter und Gläubiger betroffener Firmen. Das Problem ist, daß kleinere Transaktionen nicht auffallen und größere über Strohmänner laufen. Daher die hohe Dunkelziffer. Ob bei der Telekom-Aktie unter anderem auch I-T im Spiel war, wird sich noch erweisen. Ein Indiz - aber kein Beweis - für I-T wäre etwa, wenn bei einer Aktie plötzlich ein außergewöhnliches Mißverhältnis von Put- und Call-Optionen auftritt. Das Grundübel - wie auch für vieles andere - liegt aber im Optionenhandel selber, der mit geringem Geldeinsatz enorme Kurssprünge auszulösen vermag.
Welchen Stellenwert I-T heute hat, zeigt ein Blick ins Internet: Sucht man nach der Wortgruppe "Insider Trading", erhält man 400.000 Hinweise, die allermeisten auf Englisch. Aufschlußreich ist es auch, die Abfrage mit Personennamen zu kombinieren: "I-T" mit "Bush" gibt 22.000 Hinweise, mit "Cheney" 5.000, mit "Rumsfeld" 2.000. Die Materialien mögen viel Mist enthalten, aber man muß eben auf die verläßlichsten Quellen zugreifen und stößt dann auf all die Vorwürfe gegen den Bush-Clan.
Eine Abart von I-T kann sogar der Außenstehende durchführen: Wer etwa eine Milliarden-Sammelklage gegen einen Konzern einbringt, weiß schon vorher, wie das an der Börse einschlägt. Und wäre es nicht naheliegend, daß Attentäter oder Mitwisser sogar den 11. September für Börsentransaktionen ausnützten? Der Kurssturz bei Luftfahrtunternehmen war für sie doch absehbar! Tatsächlich verfolgten auch die Fahnder diese Fährte, und eine Internet-Abfrage liefert mit "I-T" und "9/11" 9.000 Hinweise. Wer Zeit hat, möge in den 6.000 Hinweisen blättern, die das Internet für die Kombination "Insider Trading" und "CIA" liefert.
Somit haben auch die Kursausschläge im Vorfeld des Irak-Krieges interessante Aspekte. Die Akteure sind bekannt, ihr Vorleben, ihre Methoden und Neigungen ebenfalls. Und muß es nicht besonders lukrativ sein, vor den Zerstörungen bereits den Wiederaufbau zu planen? |
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