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Charta

 
     
 
Die Kulisse war überaus symbolträchtig: Vor den bis fas auf den Grund niedergebrannten Fassaden des Stuttgarter Neuen Schlosses wurde am 5. Augus 1959 die Charta der Heimatvertriebenen als Grundlage einer zukünftige gesamteuropäischen Friedensordnung verabschiedet. Mit dem Abstand von nunmehr fün Jahrzehnten treten Weg, Ziel und Bilanz jener Denkschrift überdeutlich und schmerzhaf hervor, die in ihrer Sinnmitte sich noch einmal aus jenem abendländische
n Geist nährte der heute offiziell so vollkommen verlorengegangen scheint.

Dabei konnte man nach dem Ende des Krieges durchaus seinen schnellen Frieden mit de Siegern und ihrem Separatismus sowie ihrem ganzen ungeistigen Wolle schließen:Opportunismus und feiges Einducken galten allemal mehr als Einsatz fü Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung. Insofern war die Charta der Vertriebenen ein erste Frontstellung gegen das Potsdam der Sieger, bei der selbst sie, durchaus im Besit totaler Macht, keine endgültige Entscheidung über Ostdeutschland treffen mochten.

Bei den Westmächten zeigte sich durchaus eine Kontinuität im Festhalten am Ziel an während immerhin die von Adenauer so hartnäckig ignorierte Note Stalins vom März 195 auch die Möglichkeit einer Freigabe Ostdeutschlands enthielt. Die von Heinz Lippmann 197 verfaßte Honecker-Biographie kolportierte, "immer, wenn Honecker schlecht gelaun ins Büro kam, hieß es, er habe geträumt, Adenauer sei zurückgetreten ..." Beide bedingten gewissermaßen einander, und dennoch kontrastierte dabei zu separatistischen Regierungspolitik stark die Opposition und der übergroße Teil de deutschen Volkes. Niemand besaß in dieser Zeit größere nationale Reputation als de Westpreuße Kurt Schumacher, der Verzicht auf die Heimat und die Anerkennung de "widernatürlichen Oder-Neiße-Grenze kurzerhand als "Verrat" bezeichnete.

Will man freilich die Charta unter dem Aspekt deutscher Außenpolitik werten, so mu man der Tatsache Rechnung tragen, daß die Abtretung Ostdeutschlands Teil alliierte Kriegspolitik war. Wo sie nicht eigener Zielvorstellung entsprach, diente sie de "Entlohnung" treuer Vasallen, wie dies schon im Ersten Weltkrieg praktizier worden war. Der Austritt Italiens aus dem Block der Mittelmächte wurde mit de Übertragung Südtirols an Rom honoriert.

Erst auf diesem Hintergrund und des im Zweiten Durchgang noch deutlicheren weltweite Kampfes um Absatzmärkte, Rohstoffe und dauerhafte Schwächung des Gegners wird deutlich welche Herausforderung die Feststellung der Charta darstellte, "den Menschen mi Zwang von seiner Heimat trennen, bedeutet, ihn im Geiste zu töten". Und zude gefordert: "Daher fühlen wir uns berufen zu verlangen, daß das Recht auf Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklich wird".

Es gab daher damals keine größere politische Sprengkraft als die Forderung nac Heimat, da sie die Revision der Ziele der Sieger á priori einschloß. Und so war es nu eine Frage der Zeit und des politischen Geschicks, daß die Charta von Siegern und ihre willigen Helfern unterhöhlt wurde. Der britische Staatssekretär Ivon Kirkpatric enthüllte: "Er (Adenauer) sei der Meinung, daß die Eingliederung Westdeutschland in den Westen wichtiger sei als die Einigung Deutschland". Diesem Bekenntnis folgt die "Ostdenkschrift" der EKD oder ein Wort von Klaus v. Dohnany, SPD,198 Staatssekretär im Auswärtigen Amt über die Vertriebenen: "Es hätte sie nieman daran gehindert, dort zu bleiben".

Der Weg von politischer Neutralisierung zu Spott und Hohn ist kurz, wenn man bedenkt daß die Verantwortlichen nach 1989 das ostdeutsche Problem und die Sinnmitte der Chart der Vertriebenen auf das bolschewistische Niveau des "Görlitzer Vertrages" vo 1950 führen konnten. Es gehört zu dieser Wendeschleife, wenn Vertriebene nunmehr zu nahezu völliger Inaktivität verdammt werden und bei feierlichen Anlässen Vertrieben auf Punkt 1 der Charta festgelegt werden, der den Verzicht auf "Rache un Vergeltung" einschließt. Vertriebene besitzen bekanntlich weder Privatarmeen noc Waffenfabriken. Der Verzicht auf Rache entspricht dem hohen Ethos der unmittelbare Nachkriegszeit, das erst unter dem Eindruck einer falschen, fremdbestimmten Politik zu einem schauderhaften Nihilismus pervertierte und dazu führte, daß Vertriebene an de Rand unseres Volkes gedrückt wurden.

In der Folge aber verkam ganz Mitteleuropa, und seither scheint sich auch die ganz übrige Welt im Zustand einer heillosen Hölle von Flucht, Vertreibung und Unbehausthei zu befinden.

 
     
     
 
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