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Gut ein halbes Jahr nach seinem Ableben und auf den Tag genau elf Jahre nach der Beisetzung Kaiser Wilhelms I. in Berlin-Charlottenburg wurde der Sarkophag Bismarcks am 16. März 1899 in das neu gebaute Mausoleum überführt, in dem er noch heute liegt. Zuvor hatte er ab dem 30. Juli 1898 im Friedrichsruher Schloß gestanden. Auf dem sogenannten Schneckenberg vis-à-vis des Bismarckschen Anwesens war nun eine kleine Grabkapelle im romanischen Stil errichtet worden. Der Bau ist angelehnt an die Gruftkapelle von Theoderich dem Großen in Ravenna. Bismarck hatte vorhergesehen, daß Kaiser Wilhelm II. sein Begräbnis als Spektakel feiern wollte, und hatte deshalb zwei Jahre vor seinem letzten Atemzug verfügt, in Friedrichsruh dicht an der Bahnstrecke Friedrichsruh-Berlin seine letzte Ruhestätte zu finden. Die Särge des Ehepaars Bismarck - Johannas Sarg wurde aus Varzin geholt, wo sie 1894 verstorben war - wurden gemeinsam ins neue Mausoleum überführt. Auch das Kaiserpaar folgte dem Sarg. Rechts und links des Weges standen 1.500 Fackelträger. Das Wort Trauergefolge erscheint schon fast übertrieben für die gerade einmal 50 Personen, die dem Sarg folgten. Hier war wohl eher Pflichtschuldigkeit der Grund zur Teilnahme als große Trauer um den Verstorbenen. Auf Bismarcks Sarkophag liest der Besucher die von ihm selbst bestimmte Grabschrift: "Ein treuer Diener Kaiser Wilhelms I." Bismarck hatte das letzte Wort im Streit mit Wilhelm II.
Daß sich das Mausoleum schon bald nach der Überführung zu einem "Nationalheiligtum" entwickeln sollte, hatten die damaligen Gäste nicht ahnen können. Bismarck wuchs in den letzten Lebensjahren und endgültig nach seinem Tod zu einer der bedeutendsten Kultfiguren heran. Er wurde zu einem Schutzheiligen für "Volk und Vaterland" stilisiert. Diese Omnipräsenz der Person Bismarcks war in der deutschen Öffentlichkeit eine Tatsache von politischer, kultureller und psychologischer Dimension. Er war zum Mythos geworden: eine nationale Kultfigur der Deutschen, insbesondere der akademischen Jugend. In der Berliner National-Zeitung erschien drei Tage nach der Grablegung ein Gedicht, welches ansatzweise einen Vorgeschmack gibt auf das, was komme sollte. In der ersten Strophe heißt es: "Ziehen in kommender Zeiten Lauf, / zahllose Waller zur Stätte hinauf. / Droben im Heiligtum der Nation, / schläft ihr größter, ihr herrlichster Sohn."
Zwar ist seine Begräbnisstätte nicht mehr der Kristallisationspunkt im Sinn von Arthur Rehbein (1925): "Friedrichsruh ist das Mekka der Deutschen. Am Grabe unseres Größten holen wir uns Hoffnung, um sie in unser Herz zu pflanzen", doch liegt trotz allem immer noch ein gewisser Zauber an diesem Ort. Nur noch wenige Menschen treibt heutzutage diese "Rehbeinsche" Motivation in den Sachsenwald. Sollte es so sein, werden sie von anderen belächelt. Es gibt auch keine Jahrmarktbuden mehr, an denen Bismarckerinnerungen im alten Stile verkauft werden. Doch Besucher - ganz gleich aus welchem Grund sie nach Friedrichsruh kommen - werden auch in "dreitausend Jahren", um mit Theodor Fontanes Worten zu sprechen, Bismarck nicht vergessen haben. NK |
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