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Das Wunder von Bern - so lautet der Titel des Filmes, den Sönke Wortmann den Deutschen zum Geschenk machte. Es gibt unzählige Geschichten und Anekdoten, die sich um den sensationellen Sieg unserer Fußballmannschaft ranken. Neben dem Trainer und den Akteuren auf dem Platz war es der Radioreporter Herbert Zimmermann, der uns mit seiner mitreißenden Reportage und dem Ausruf: "Tor, Tor, Tor" in Erinnerung geblieben ist. Natürlich war der 3:2-Sieg der deutschen Fußballnational mannschaft gegen Ungarn nach dem frühen 0:2-Rückstand eine kaum für möglich gehaltene Wende, aber keiner konnte dieses Wunder so schön in Worte kleiden wie eben der Radioreporter Herbert Zimmermann. Seine Reportage war deshalb so einprägend, weil es noch keine flächendeckende Versorgung mit Fernsehgeräten gab.
Heute ist nur noch wenigen Zeitgenossen bekannt, daß Herbert Zimmermann ein hoch ausgezeichneter Soldaten der deutschen Wehrmacht gewesen ist. Am 29. November 1917 in der Nähe von Aachen geboren, mußte er mit seinen Eltern oft umziehen, wenn sein Vater als Mitarbeiter einer Versicherung versetzt wurde. So machte er 1937 in Freiburg im Breisgau sein Abitur, um anschließend bei einem Panzerregiment seinen Wehrdienst abzuleisten. Bei Kriegsbeginn machte er einen Lehrgang als Reserveoffiziersanwärter mit. Am 1. Juli 1940 wurde er zum Leutnant gefördert. Die Panzerabteilung 101, bei der er eingesetzt war, diente zunächst der Verstärkung der neu aufgestellten 20. Panzerdivision. Mit ihr war Zimmermann im Rahmen der Heeresgruppe Mitte an den schnellen Vorstößen beteiligt, die zu den erfolgreichen Kesselschlachten von Minsk und Wjasma führten. Hierbei erhielt er das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse. Ab Oktober 1941 wurde Zimmermanns Abteilung zur Verstärkung der 1. Panzerdivision herangezogen. Ende Oktober 1941 wurde Zimmermann verwundet und war erst im März 1942 wieder genesen. Zur Jahreswende 1941/42 war die ostdeutsche 1. Kavalleriedivision zu einer Panzerdivision umgebildet worden. Um die Kavalleristen auf Kampfpanzer zu schulen, trat die Panzerabteilung 101 zu diesem Truppenverband. Da Zimmermanns Stammeinheit nicht mehr existierte, wurde er zur ebenfalls neu aufgestellten 22. Panzerdivision versetzt.
So wurde der spätere Radioreporter zum Zeugen der Tragödie des Jahres 1942 am Südflügel der Ostfront. Zunächst war die 22. Panzerdivision an der Eroberung der Krim beteiligt, dann nahm er an den Kämpfen um die Stadt Rostov am Don teil. Bei diesen Kämpfen wurde sein Panzer abgeschossen, er selbst und seine Besatzung blieben jedoch unversehrt. Abermals wechselte Zimmermann seinen Truppenteil. Als Abteilungsadjutant wechselte er zu der sich neu bildenden 27. Panzerdivision. Diese lag als Reserve hinter der 8. italienischen Armee, die wiederum einen Teil der Flankendeckung der 6. deutschen Armee in Stalingrad bildete. Als im November 1942 die sowjetische Winteroffensive begann, wurde auch die nur fragmenthaft vorhandene 27. Panzerdivision in schwere Kämpfe verwickelt. Die Division ging - kaum aufgestellt - unter. Zuvor aber wurde Zimmermanns Panzer getroffen und er selbst am Bein schwer verwundet. In einem Berliner Krankenhaus erhielt er das Verwundetenabzeichen in Silber. Die Verletzung war so schwerwiegend, daß man Zimmermann nicht mehr verwenden wollte. So bewarb er sich erfolgreich als Volontär beim Berliner Rundfunk. Dies war sein Traumberuf. Der Umgang mit Menschen, rasante Reportagen über sportliche Ereignisse - das war seine Welt, wie er jetzt feststellte.
Bald holte ihn aber das Militär wieder ein. Zunächst wurde er bei einer Ausbildungseinheit Lehrer, aber dann meldete er sich freiwillig zur 14. Panzerdivision - einer Einheit, die nach dem Untergang in Stalingrad neu formiert worden war. Im Spätsommer 1944 fuhr die von Zimmermann geführte Panzerkompanie als Bestandteil der Reserve den Überresten der vernichteten Heeresgruppe Mitte entgegen. Aufzuhalten war die siegreiche Rote Armee jetzt nicht mehr. Im Herbst 1944 nahm Zimmermann mit seiner Division an den Kämpfen im Baltikum teil, und am 27. Februar 1945 wurde er mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet. Im April 1945 wurde Zimmermann von der Kriegsmarine aus dem Kurlandkessel evakuiert. Das Kriegsende erlebte er in Flensburg. Danach gelang es ihm, in seinen Traumberuf als Radioreporter "einzusteigen". Schon vor der Währungsreform war allen sportbegeisterten Hörern Zimmermanns Stimme vertraut. Dann kam die Fußballweltmeisterschaft 1954, die ihn auch der heutigen Generation zum Begriff gemacht hat. Am 16. Dezember 1966 wurde Herbert Zimmermann Opfer eines für ihn tödlichen Verkehrsunfalls. Einer seiner Neffen ist der heutige grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele.
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