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Die Rollen sind klar verteilt, die Sympathien auch. Auf der einen Seite stehen die Bösen: Da ist Berlins traditionsreiche Großklinik Charité, die einen ehemaligen Stasi-Major mit einem Leitungsposten betraut hat. Die Charité befindet sich - natürlich - im Ostteil, die politische Aufsicht hat Kultur- und Wissenschaftssenator Thomas Flierl, Mitglied der PDS.
Auf der anderen Seite befinden sich die Guten wie der CDU-Fraktionsgeschäftsführer Frank Henkel , der "für diese Personalentscheidung absolut kein Verständnis" hat, weil sie "in unerträglicher Weise die Opfer der DDR-Diktatur" verhöhne. Stasi-Landesbeauftragter Martin Gutzeit kündigte an, das Einstellungsverfahren zu überprüfen. Gutzeit, das muß der Vollständigkeit halber gesagt werden, gehört zu den Theologen und Bürgerrechtlern, die im September 1989 in einem brandenburgischen Pfarrhaus die Ost-SPD aus der Taufe hoben. Die Senatswissenschaftsverwaltung hat inzwischen ebenfalls angekündigt, die Einstellung des Ex-Majors unter die Lupe zu nehmen.
Damit stehen wieder die alten Fronten: Auf der einen Seite die Nutznießer, Verharmloser und Mitläufer der SED-Diktatur, die sich gegenseitig die besten Posten zuschanzen, auf der anderen Seite die Opfer, die auch heute ins Hintertreffen geraten, die aber wenigstens - der CDU und der Birthler-Behörde sei Dank - nicht gänzlich zur Stummheit verurteilt sind. Doch kann man es sich 15 Jahre nach der Vereinigung noch so einfach machen?
Der Ex-Stasi-Major hatte sich bei der Stellenausschreibung gegen 14 andere Bewerber durchgesetzt. Er war einfach "der Beste", wie Charité-Direktor Detlev Ganten erklärte. Über die Stasi-Vergangenheit sei offen gesprochen worden, außerdem sei eine Überprüfung bei der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen erfolgt. Hinweise auf eine "repressive Tätigkeit" hätten sich nicht ergeben. Der Major hatte in der für die Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität zuständigen Hauptabteilung gearbeitet. Der Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, meint jedoch, er sei im "Kernbereich der Repression" tätig gewesen. Seine 1984 verfaßte Diplomarbeit beschäftigte sich mit den "politisch-operativen Zielstellungen ... bei Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft". Das klingt zwar staatstreu, aber nicht zwangsläufig kriminell. Außerdem liegt es 20 Jahre zurück. Es haben schon ganz andere den Ritterschlag als "lupenreiner Demokrat" erhalten.
Die eigentliche Frage lautet, ob Stasi-Verstrickungen ein lebenslanges Berufsverbot rechtfertigen, ob man nicht endlich ein Verfahren finden müßte, das das Bekenntnis der eigenen Schuld, dann Buße, Reue und endlich Vergebung einschließt. In der jungen Bundesrepublik wurde mit NS-belasteten Personen oft schonender verfahren. Erinnert sei an Konrad Adenauers Satz, man müsse sich mit dem verschmutzten Wasser behelfen, weil man sauberes nicht habe.
Dieser pragmatische Grund war 1989/90 freilich nicht gegeben. Die vereinigte Republik brauchte die DDR-Eliten überhaupt nicht. Schließlich standen im Westen genügend Politiker, Funktionäre, Beamte bereit, die in den Neuen Ländern ihre Karriere beschleunigen wollten oder einen zweiten Frühling erlebten. Nicht alle hatten die Klasse von Kurt Biedenkopf, Lothar Späth und Bernhard Vogel. Unter die Räder kamen aber auch die meisten Bürgerrechtler, deren DDR-erprobte Renitenz ihre Eingliederung in den westdeutschen Politik- und Parteienbetrieb schwermachte. Oft fehlte es ihnen, weil sie in der DDR beruflich benachteiligt waren, an verwertbarem Fachwissen. Ihr wichtigstes soziales und politisches Kapital ist immer noch ihre Stasi-Akte. Auch das erklärt manche Aufgeregtheit. Der aktuelle Fall an der Charité zeigt, daß endlich eine breiter angelegte Debatte darüber nötig ist. |
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