|
Schon am Dienstag nach der Wahl kam der Berliner Senat wieder zu einer Sitzung zusammen. Strahlend begrüßte Klaus Wowereit seine Senatoren, verkniff sich aber gehässige Bemerkungen beim Händeschütteln mit den Leuten von der Linkspartei.
Linkspartei-Wirtschaftssenator Wolf saß, so melden Beobachter, wie ein gerupftes Huhn in der Sitzung der Landesregierung, nachdem seine Partei 9,2 Prozentpunkte der Stimmen verloren hatte. Für die dunkelroten Genossen ist es noch schlimmer, als diese Zahl schon vermuten läßt: Im Ostteil der Stadt betrugen die Verluste rund 20 Prozent, am Bersarinplatz, einer alten PDS-Hochburg, wurden sogar minus 27 Prozent gemessen!
In der Sitzung ging es um das zentrale Thema der vergangenen fünf Jahre: den Haushalt. Thilo Sarrazin (SPD), Wowereits stärkster Senator, hatte das erste Wort. Der Finanzsenator hatte gute Nachrichten dabei: Die Neuverschuldung Berlins habe 2005 eine Milliarde weniger betragen als zunächst vermutet.
Sarrazin stolz hinterher zur Presse: "Der Senat hat im letzten Jahr seine Ziele auf dem Weg zur Sanierung des Haushalts nicht nur erreicht, sondern übertroffen. Das wirkt auf Dauer: Für jeden Euro nicht aufgenommener Schulden muß Berlin in Zukunft auch keine Zinsen zahlen."
Auf die vergangenen fünf Jahre gesehen bleibt die Bilanz des Senats allerdings düster, schließlich ist der Schuldenberg Berlins auch unter Wowereit um weitere 20 Milliarden Euro angewachsen. Aber ein besseres Konzept haben die Wähler auch den anderen Parteien nicht zugetraut, schon gar nicht der Union, unter deren Bürgermeistern die Neuverschuldung überhaupt erst so immense Höhen erreicht hatte.
Trotzdem mußte Klaus Wowereit eine kräftige Abreibung vom Wähler befürchten - nach dem, was sein Senat alles angestellt hatte, um die Ausgaben der deutschen Metropole halbwegs in den Griff zu bekommen: Streichorgien fanden in der Verwaltung und bei der Polizei statt, in Bildungseinrichtungen und Kitas, in Hospitälern und in der Wirtschaftsförderung. Eltern zahlen jetzt für die Schulbücher ihrer Kinder, öffentlich Bedienstete bekommen weniger Geld.
"Sparen bis es quietscht", nannte Thilo Sarrazin dieses Programm. Wut und Protest ruft so eine Politik sonst hervor. Doch die Berliner SPD ist damit durchgekommen. Wowereit wurde es jedenfalls nicht angelastet. Und auch wenn der Koalitionspartner Linkspartei kräftig Stimmen verloren hat: Die rot-rote Mehrheit steht immer noch. Jetzt kann der Regierende nach der Macht im Bund greifen.
Wohin würde die Reise gehen mit einem Kanzlerkandidaten Klaus Wowereit? Auch wenn ihn das Bündnis mit der PDS 2001 berühmt-berüchtigt gemacht hat, so ist Wowereit eher ein Vertreter von Rot-Grün. Dieses Bündnis ist zwar seit 2005 unzählige Male totgesagt worden, aber Totgesagte leben bekanntlich länger.
Wowereit stammt selbst aus dem rot-grünen Milieu und würde als "Rot-Grüner" in der Bundespolitik glaubwürdig auftreten können. Seine Werbeagentur "Wegewerk" ("Wir entwickeln Ihre Kampagnen") berät noch viele andere Politiker, die fast ausschließlich zur SPD oder den Grünen gehören. So zum Beispiel Matthias Berninger (Grünen-MdB), Jörg Tauss (SPD-MdB), Renate Künast (Grünen-MdB), Franz Thönnes (SPD-MdB), Walter Kolbow (SPD-MdB).
Die beiden "Wegewerk"-Chefs Juri Maier und Frank Wernecke behaupten von sich, sie würden das Anliegen ihrer Kunden "allgemeinverständlich" machen. Im Falle Wowereits ist ihnen dies offenbar glänzend gelungen.
Zu ihren Kunden gehören auch Gewerkschaften wie Ver.di und sogar der Dachverband DGB, für den sie die Kampagne zur Sozialwahl 2005 entworfen hatten. "Gesundheit darf kein Luxus sein", lautete damals der Werbespruch, zu dem ein Gebiß auf einem Kissen gezeigt wurde. Es ist ein Spruch, der auch gut zu Wowereit paßte. Gerade jetzt, wo die Gesundheitspolitik an erster Stelle steht.
Zur Zeit ist Klaus Wowereits offizieller Auftritt noch der eines Regierenden Bürgermeisters. Er ist von Sätzen geprägt wie: "Mein Berlin sind auch die Kieze, die beschaulichen Ecken, die Nachbarschaften. Hier hält man inne, hört sich zu, ist füreinander da."
Aus dieser romantisierenden Kiez-Ecke aber will der Regierende heraustreten und die Landespolitik hinter sich lassen. Er wird hierfür verstärkt bundespolitische Themen aufgreifen, über die im Abgeordnetenhaus nicht gesprochen wird.
Wenn die neue Landesregierung steht und der Streit um die Gesundheitsreform noch läuft (wovon getrost ausgegangen werden kann), dann wird er hier sicherlich erste Schwerpunkte setzen. Die SPD-Linke wartet bereits händeringend auf einen Protagonisten, der das Thema Bürgerversicherung wieder vorwärts bringt.
Zum Jahresbeginn 2006 hatte Klaus Wowereit schon einmal ein wenig geübt, als er an seine spezielle Rolle als zeitweiliger Verhandlungsführer der SPD-Länder im Vermittlungsausschuß erinnerte. Seit im Bund die Große Koalition herrscht, wird dieses Gremium zwar nicht mehr benötigt. Das macht aber nichts. So wie Wowereit ist, findet er bestimmt eine andere Plattform. |
|