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Mit "Marlene" hat der hemdsärmelige bayrische Regisseur Joseph Vilsmaier früh und zur Genüge die deutschen Film-Gemüter erregt. Vom Verleih und den TV-Zeitschriften schon vorab zum besten Film des Jahres hochgejubelt, ist der Streifen auf der anderen Seite auf heftige und geradezu vernichtende Kritik gestoßen. Bieder allemal und in jedem Fall mißlungen so der Tenor in den führenden deutschen Zeitgeist-Feuilletons. "Vilsmaier macht den größten aller deutschen Stars zur Spießerin" war etwa der Kommentar der "Süddeutschen Zeitung ".
Die "Taz" lehnte sich erwartungsgemäß am weitesten aus dem Fenster. Sie nannte "Marlene" unumwunden eine "ideologische Unverschämtheit" und erkannte in dem Film letztlich nichts anderes als ein weiteres von Vilsmaiers "revisionistischen" Kinoprojekten. Dieses Unbehagen entzündete sich in gewohnt übertriebener Weise u. a. an jener Szene im Film, in der der Regisseur seine Diva ein Lazarettzelt mit verwundeten Wehrmacht-Soldaten in Frankreich betreten läßt. Die Kamera schwenkt über das Elend, bis ein junger Soldat, natürlich blond und aus Berlin, den "Blauen Engel" in der amerikanischen Uniform erkennt und anspricht. Die Dietrich legt ihm lächelnd ihre Hand auf die Stirn und sagt schließlich: "Na, dann wollen wir uns mal wieder vertragen!"
Diese Szene ist insofern symptomatisch, da der ganze Film versucht, dem komplizierten und emotionsgeladenen Verhältnis zwischen der Dietrich und ihrer Heimat Deutschland aus dem Weg zu gehen. Und in der Tat erreicht der Film dadurch eine Beliebigkeit, die man ihm nicht gewünscht hätte. Es wird offensichtlich, daß man über die "preußische Ami-Hure" nicht wie über nahezu jeden anderen UFA-Star eine handwerklich saubere und ansonsten brav am Lebenslauf orientierte Filmbiographie drehen kann. Es ist fast jeder Kameraeinstellung anzumerken, daß Vilsmaier nicht anecken wollte, daß er im Grunde mit den Mitteln des Kolportageromans etwas erzählt, was sich simpel nicht greifen läßt.
Dabei sollte der Film wie kein anderer in den vergangenen zehn Jahren nicht zuletzt dem Ausland das Wiedererwachen der deutschen Filmindustrie ankündigen. Insgesamt 18 Millionen Mark hat man sich "Marlene" immerhin kosten lassen, teure Drehs an Originalschauplätzen in Hollywood inklusive. Wer Marlene Dietrich unbedingt noch einmal im offenen Wagen durch die Straßen Kaliforniens fahren läßt, der will offensichtlich wieder dazugehören zur cineastischen Elite. Prächtig schien sich auch die Handlung dazu zu eignen: die Diva, ihr Anti-Nationalsozialismus, die UFA, der Krieg und die Palmen. Der Stoff, aus dem die Erfolge und Millionen sind. Wie keine andere Künstlerin scheint die Dietrich zudem Deutschland mit Amerika zu verbinden.
Für sein Projekt konnte Vilsmaier einmal mehr ein deutsches Staraufgebot zusammentrommeln. Überzeugend brilliert die 39-jährige Katja Flint in der Titelrolle. Marlene als singende und kochende Mutter, Marlene als frauenknutschender und männerverzehrender Vamp, Marlene genervt am Set oder zu Hause beim Drogenkonsum irgendwann ist für den Zuschauer bis hinein in die kleinste Pose die Flint einfach nur noch die Dietrich, auch wenn der Berliner Dialekt der gebürtigen Hannoveranerin eher holprig über die Lippen kommt. Ebenso gefallen Herbert Knaup als überforderter Ehemann und Christiane Paul in der Rolle des russischen Kindermädchens.
Irgendwann scheint Vilsmaier und seinem Drehbuchautor Christian Pfannenschmidt aufgegangen zu sein, daß es nicht ausreichen kann, lediglich die Stationen ihres Stars aneinanderzureihen. So ersannen sie eine Rahmenhandlung in Form eines deutschen Offiziers Carl Seidlitz als Marlenes Liebhaber. Damit sollte noch einmal ihre Beziehung zu Deutschland sowie ihr generelles Liebesleben angerissen werden. Bezeichnenderweise ist diese erfundene Liebesgeschichte noch das Lebendigste am ganzen Film geworden. Denn wo er ansonsten vor Ehrfurcht erstarrt oder zumindest der Dietrich einen Respekt entgegenbringt, der nur noch Raum für hübsch gestylte Kälte übrigläßt, scheint gerade hier zuweilen eben durch die Frische und Lebendigkeit eine gewisse Authentizität auf. Da verzeiht man es selbstverständlich den beiden Turteltauben beim Ausritt in die märkische Heide auch, daß sie beim poetischen Bezirzen aus dem deutschen Freiheitsdichter Ferdinand Freiligrath einen von Freiligrath machen, deutsche Geschichte und Literatur sind bei Cineasten bekanntlich Glücksache, wenn nicht Schlimmeres.
Als biographische Unterhaltung wird der Film wohl Bestand haben (müssen), schon um das eingesetzte Geld wieder einzupielen. Ansonsten bleibt er zu beliebig, um den "Mythos Marlene" in allen Facetten ernsthaft zu berühren. O. Geldszus
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