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Die Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analyse "Forsa" ist im Auftrag der "Deutschen Welle" der Frage nachgegangen, welches Image Deutschland in der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten von Amerika hat.
Wirklich verblüffend sind die Antworten auf die Frage, woher sie etwas über Deutschland erfahren. In der Fernsehnation USA gaben mit 53 Prozent die meisten Tageszeitungen als Quelle an, während unter den Angehörigen des belesenen Kulturvolk es der Russen mit 80 Prozent die meisten das Fernsehen nannten.
Nun könnte man meinen, die Lösung bestünde darin, daß die russischen Printmedien über Deutschland nicht berichteten. Jedoch liegt bei dieser Mediengruppe der Anteil der Berichte mit Deutschlandbezug in der Russischen Föderation mit sechs Prozent noch einen Prozentpunkt über jenem in den USA.
Des Rätsels Lösung liegt darin, daß in den USA der Anteil der deutschlandbezogenen Berichterstattung im US-Fernsehen bei verschwindend geringen 0,4 Prozent liegt, während er im russischen Fernsehen immerhin bei neun Prozent liegt. Wenn in der US-TV-Berichterstattung Deutschland fast nicht vorkommt, darf man sich auch nicht wundern, daß sie bei der Information über Deutschland nicht die primäre Rolle spielt.
Da eine Deutschlandberichterstattung im US-Fernsehen kaum vorkommt, konzentriert sich der von "Forsa" vorgenommene qualitative Vergleich der Berichterstattung auf die Printmedien. Sowohl in der Russischen Föderation als auch in den USA enthalten fünf Prozent der Artikel, in denen über Deutschland berichtet wird, negative Wertungen. In beiden Staaten enthält sich eine breite Mehrheit der Beiträge jeglicher Wertung. Bemerkenswert ist jedoch der Anteil der Deutschlandberichte mit positiver Beurteilung. Während dieser in den USA fünf Prozent beträgt, sind es in der Russischen Föderation beachtliche 18 Prozent. Während also bei Deutschlands wichtigstem Verbündeten positive und negative Wertungen sich die Waage halten, findet bei Deutschlands großem Nachbarn im Osten eine tendenziell eher deutschfreundliche Berichterstattung statt.
Hinsichtlich des Fernsehens kommt "Forsa" zu einem in der Tendenz ähnlichen Ergebnis. Während Deutschland in der US-Fernsehberichterstattung vornehmlich nebenbei im Zusammenhang mit der Irakkriegsberichterstattung vorkommt, ist die russische TV-Berichterstattung nicht nur ausführlicher, sondern auch wohlwollender.
Mit der Berichterstattung in den jeweiligen nationalen Medien korrespondiert das jeweilige Deutschlandbild der beiden großen Nationen. Vor die Frage gestellt, ob sie ihr persönliches Verhältnis zu Deutschland als gut bewerten, antwortete immerhin eine Mehrheit von 56 Prozent der US-Amerikaner mit ja, aber bei den Russen waren es mit 69 Prozent 13 Prozentpunkte mehr. Hier gibt es offenkundig einen Zusammenhang, wobei dahingestellt sei, ob die Medien die Meinung des Volkes nun eher widerspiegeln oder eher prägen.
Bei der näheren Charakterisierung der Deutschen fällt auf, daß die russische wie die US-amerikanische Elite vor allem die Unterschiede zur eigenen Nation herausstellt. So sind es insbesondere Russen, denen zu Deutschlands Wirtschaft positive Assoziationen wie "Wohlstand", "hochwertige Produkte" oder "technische Fähigkeiten" einfallen. Da die Wirtschaftsleistung der Deutschen bewundert wird, spielen naheliegenderweise die dafür gemeinhin verantwortlich gemachten preußischen Tugenden wie Ordnungsliebe, Disziplin, Fleiß, Gründlichkeit oder Korrektheit im Deutschenbild der Russen eine große Rolle.
Hingegen kann den reichen US-Amerikanern mit ihrer leistungsfähigsten Volkswirtschaft der Welt der deutsche Wohlstand verständlicherweise wenig imponieren, und so spielen die preußischen Tugenden in ihrem Deutschenbild denn auch eine geringere Rolle.
Wie groß die Bewunderung für das deutsche Wirtschaftssystem bei den Russen ist, wird deutlich, wenn sie beim Vergleich zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen einen Unterschied zwischen Illegalität im eigenen Land und Legalität / Rechtsstaatlichkeit in Deutschland konstatieren. Daß die US-Amerikaner hingegen das deutsche Wirtschaftssystem ihrem eigenen eher als unterlegen betrachten, erkennt man, wenn sie das deutsche im Gegensatz zum eigenen kapitalistisch-marktwirtschaftlichen als sozialistisch oder planwirtschaftlich bezeichnen.
Bei der Kultur ist es umgekehrt. Es sind weniger die russischen denn die US-amerikanischen Multiplikatoren, denen Deutschland als ein Land mit einer anspruchsvollen Kultur gilt, die geprägt ist von einem reichen historischen Erbe. Wie die Russen ihre Wirtschaft, sehen die US-Amerikaner ihre Kultur im Vergleich mit der deutschen durchaus selbstkritisch. Während sie Deutschland mit "high culture" in Verbindung bringen, sehen sie in ihrem eigenen Land eher die Populärkultur angesiedelt, die etwa mit dem Stichwort "Hollywood" verknüpft ist. US-Amerikaner sähen fern, Deutsche seien eher interessiert an Theater und Konzert und gingen ins Museum. Parallel dazu wird die deutsche Kultur im Gegensatz zur eigenen als eine klassische, an Traditionen orientierte beschrieben, wohingegen das eigene Land wesentlich jünger sei und keine so lange Geschichte aufweise. Gerade dieser letzte Punkt spielt bei den russischen Multiplikatoren keine Rolle für das Deutschlandbild. Hierzu paßt, daß die russischen Multiplikatoren außer Personen aus der Politik häufig Klassiker aus Literatur, Musik und Philosophie wie Goethe, Beethoven, Bach, Schiller und Marx mit Deutschland in Verbindung bringen, während es bei den US-amerikanischen neben Politikern eher Sportler sind.
Daß das US-amerikanische Deutschlandbild schlechter ist als das russische mag - abgesehen vom aktuellen Dissens in der Irakfrage - mit dem Nationalsozialismus zusammenhängen. Während die Russen bei Deutschland als erstes an die preußischen Tugenden Disziplin, Fleiß und Ordnung, als zweites an Wohlstand und erst als drittes an Nationalsozialismus denken, steht bei den US-Amerikanern der Nationalsozialismus an erster Stelle. Es folgen Bier und Sauerkraut sowie Landschaft und Natur, was dem romantischen Klischee von "good old Germany" entspricht.
In den USA unterstellen mit 32 Prozent fast dreimal so viele Menschen den Deutschen eine faschistische Grundeinstellung wie in der Russischen Föderation, wo es nur elf Prozent sind. Und der Anteil der Personen, welche die Ansicht vertreten, daß man sich als Ausländer in Deutschland nicht sicher fühlen könne, ist mit 23 Prozent in den USA immerhin noch fast zweieinhalbmal so groß wie in der Russischen Föderation, wo er nur zehn Prozent beträgt. Wenn das russische Deutschlandbild auch weniger vom Nationalsozialismus geprägt ist als das US-amerikanische, so ist doch wie in den USA auch in der Russischen Föderation die am häufigsten mit Deutschland in Verbindung gebrachte Person Adolf Hitler.
Drei, die mit Deutschland in Verbindung gebracht werden: Sowohl von den Russen als auch von den US-Amerikanern wird vor allen anderen Deutschen Adolf Hitler (l.) mit Deutschland in Verbindung gebracht. In Rußland mit 37 Prozent und in den USA mit 34 Prozent ist es jeweils gut ein Drittel der Bevölerung. An zweiter Stelle folgt in Rußland Wolfgang v. Goethe (Mitte) mit 30 Prozent und in den USA Gerhard Schröder (r.) mit 18 Prozent. Fotos: Archiv
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