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Außerhalb des Tagungsthemas informierte Peter Letkemann aus Berlin in einem Kurzreferat „100 Jahre Staatsarchiv Danzig“ über die Geschichte dieses Hauses bis 1945, indem er weitgehend seinen Vortrag vom 8. Juni 2001 auf der Tagung in Danzig zum 100jährigen Gründungsjubiläum des Staatsarchivs wiederholte. Die Hauptstadtfunktion Danzigs für Westpreußen ließ unter den Danziger Stadtvätern, unterstützt von Landeshistorikern, vor 100 Jahren den Wunsch nach etwas völlig Neuem aufkommen, einem Staatsarchiv für die 1878 verselbständigte Provinz Westpreußen. Nach einem gescheiterten Ansatz auf der Marienburg kam es zur Gründung 1901 in Danzig, nachdem die Einbringung der städtischen Archivalien und die Finanzierung des zu bauenden Archivgebäudes gesichert waren. Erster Leiter wurde Max Bär, der eine methodische Einteilung der Bestände nach Provenienzen verwirklichte. Das bis 1914 gut geordnete Archiv wurde nach Beschränkungen in den Kriegsjahren nach 1918 zu einem Politikum: Polen, Preußen und Danzig erhoben Ansprüche auf einzelne Teile - ein Streit, der sich bis 1939 hinzog. Der preußische Staat konnte in der Zwischenkriegszeit sein Eigentumsrecht durchsetzen und betrieb eine Aufteilung des Archivs. Nach Kriegsausbruch hieß das Haus „Reichsarchiv Danzig“, und die Abga- ben sollten rückgängig gemacht werden. Kriegsbedingt kam es jedoch ab 1942 zu Auslagerungen, die zum Teil chaotisch verliefen. Bis heute ist ein Teil der Bestände nicht mehr auffindbar.
Am Samstag, dem 16. Juni, wurde die Tagung im Konzilsaal der Universität Greifswald fortgesetzt. Christofer Herrmann aus Allenstein/Greifswald begann mit einem bauhistorischen Thema: „Der Umbau des Königsberger Schlosses durch Johann Ludwig Schultheiß von Unfriedt (1702/04)“. Zur Zeit der Krönung von 1701 stellte das Königsberger Schloß keinen einheitlichen Baukörper dar. Anhand von Plänen und Zeichnungen kann man Bauten aus der Ordenszeit (um 1400) und aus der frühen herzoglichen Zeit (um 1560) unterscheiden, insbesondere der Westflügel des herzoglichen Schlosses stand seitdem fast unverändert bis 1701. Die Krönung fand also im Rahmen einer stark veralteten Architektur statt, die in krassem Gegensatz zu dem nunmehrigen Königsschloß in Berlin stand, das dem barocken Repräsentationsbedürfnis der Zeit voll entsprach. Mit einem entsprechenden Umbau des Krönungsschlosses wurde nun der Königsberger Unfriedt beauftragt. Eine neue, repräsentative Ausgestaltung sollte vor allem der Ostflügel erhalten, wobei Unfriedt seine Pläne, mit denen er relativ viel vom alten Baukörper erhalten wollte, unter Einfluß des Königs zugunsten eines kostspieligen Übergewichts von Neubauten revidieren mußte. Diese Pläne wurden ab 1705 umgesetzt. Nach dem Tod Friedrichs I. war jedoch erst das südliche Drittel des Ostflügels fertig, und nach heftiger Kritik wurden die Baumaßnahmen 1712 eingestellt. In dieser Form stand der Ostflügel im wesentlichen unverändert bis zur Sprengung des Schlosses 1969. Die Forschung hat bisher keinen Vergleich der barocken Umbauten des Königsberger Schlosses mit zeitgenössischen Schloßbauten vorgenommen. Mit Blick auf das Schlüter-Schloß in Berlin berichtete der Vortragende von ersten Erkenntnissen.
Am Schluß der Tagung standen zwei kirchenhistorische Vorträge. „Der Heilige Stuhl und die preußische Königserhebung“ war das Thema von Stefan Samerski aus München/Leipzig. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen standen das päpstliche Breve vom 16. April 1701, mit dem die Kurie gegen die preußische Königskrönung protestierte, und das komplizierte diplomatische Ver-
wirrspiel im Umfeld dieses Breves. Im Hintergrund stand der Versuch, den brandenburgischen Kurfürsten zur Konversion zu bewegen, ein Projekt unter Beteiligung des ermländischen Bischofs Zaluski. Wichtiger sind jedoch die über Preußen hinausgehenden politischen Umstände. Frankreich und Österreich stritten sich um das Erbe der spanischen Krone und bekriegten sich in Norditalien. Der Heilige Stuhl saß zwischen den Fronten und lief Gefahr, bei einseitiger Parteinahme in existentielle Nöte zu geraten, daher verfolgte er in dieser Zeit eine strikte Neutralitätspolitik. Das Protestbreve ist vor diesen Hintergründen nicht allein als an Preußen adressiert zu betrachten, sondern stellt eine Demonstration päpstlicher Autorität mit deutlichem Appellationscharakter gegenüber Wien und Paris dar. Der Heilige Stuhl verweigerte in der Folgezeit die offizielle Anerkennung der preußischen Königskrönung, worin es ihm nur der Deutsche Orden gleich tat. Erst um 1750 verlor sich die demonstrative Bezeichnung des preußischen Königs als Markgraf von Brandenburg seitens der Kurie, nachdem 1748 erstmals von einer „königlichen Person“ die Rede gewesen war.
Der Deutsche Orden wurde von Friedrich Vogel aus Wien mit „Die preußische Königskrönung und der Deutsche Orden“ eigens thematisiert. Der Orden hatte durch den Abfall des preußischen Ordenszweiges 1525 zwar die reale Macht verloren, nicht jedoch den Anspruch auf die Landesherrschaft in Preußen aufgegeben und fand darin schon früh Unterstützung bei Kaiser und Reich. Der offizielle Titel des Hoch- und Deutschmeisters war unter anderem der eines „Administrators des Hochmeistertums in Preußen“, was ihm in den Wahlkapitulationen eines neuen Kaisers und auf den Reichstagen immer wieder aufs neue bestätigt wurde. Die vom Großen Kurfürsten in den Verträgen von Wehlau und Oliva erworbene Souveränität hatte bereits einen verstärkten Protest gegen den Titel „Herzog in Preußen“ zur Folge gehabt, und im Umfeld der Krönung erreichten die formalen Proteste einen Höhepunkt, wobei sich vor allem der Hochmeister Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg engagierte. Damit wurde er jedoch von Kaiser Leopold, seinem Schwager, allein gelassen, da sich dieser in der spanischen Frage der Unterstützung Brandenburg-Preußens versichern wollte. Auch andere Funktionsträger im Reich wie der Mainzer Erzbischof erkannten die Krönung letztlich an. In seinem Falle geschah es im Jahre 1703 in Mainz. Dies hinderte sie jedoch nicht daran, auf den Reichstagen die Position des Ordens zu unterstützten. Der Vortragende belegte mit einer Vielzahl neuer Quellenfunde den formalen Erfolg des Deutschen Ordens, auf dieser Ebene keine Präjudiz in der preußischen Frage zuzulassen - bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein.
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