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Fünf Frauen - fünf Künstlerinnen, die ihren eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt haben, von denen vier allerdings in Deutschland weitgehend unbekannt sein dürften, zeigen die Vielfalt im europäischen Kunstgeschehen.
Sie heißen Anna, Stefania, Olga und Katherina und haben (mindestens) zwei Dinge gemeinsam - die Liebe zur Kunst und ihren Familiennamen Minardo, schließlich sind die vier Frauen Schwestern. In Rom erblickten sie das Licht der Welt. Anna, die Älteste und "ein unruhiger Geist", wie die Mutter sagt, studierte Architekt ur, lebte und arbeitete in Boston, Montreal und Melbourne. Außer der Architektur hat es ihr auch die Malerei, Bildhauerei und das Fertigen von zauberhaften Mosaiken angetan.
Als anerkannte Fachfrau auf dem Gebiet des Mosaiks (sie ist inzwischen zur Vorsitzenden des Verbandes für Mosaik gewählt worden) wird Anna Minardo seit Jahren als Vertreterin Italiens zu den Kongressen der "International Contemporary Mosaic Association" eingeladen. Sogar in Japan, Ägypten und in Australien sind ihre Arbeiten gefragt. So arbeitet sie derzeit an einem großen Projekt für die Stadt Melbourne. Im Januar war sie als Vertreterin Australiens nach San Francisco zu einem Treffen von Mosaikkünstlern eingeladen. Für November organisiert Anna nun ein Symposion der Mosaikkünstler in Melbourne.
Stefania hingegen hat sich einer anderen Kunstrichtung verschrieben. Schon als Siebenjährige meldete sie sich ohne Wissen der Mutter zu einem Tanzkurs an. Was blieb dieser anderes übrig, als vor so viel Begeisterung klein beizugeben?
Stefania wurde Tänzerin, besuchte die Tanzschule der Oper, Kurse in Cannes bei Rosella Hightower, in London bei Adam Darius und in New York, wo sie zweimal ein Stipendium bei dem berühmten Tänzer Balanchine erhielt. Als Primaballerina der römischen Oper gastierte sie auf vielen Bühnen, so in Frankreich, der Schweiz, in den USA, Kuba, Brasilien, Malta, Tunesien. Neben klassischen Stücken wie "Giselle", "Schwanensee" oder "Aschenputtel" tanzt Stefania auch in modernen Aufführungen, so in "La Strada" nach dem gleichnamigen Film von Frederico Fellini. "Für mich", so ihre Mutter, "ist es jedes Mal ein Erlebnis, Stefania in den verschiedensten Rollen anzuschauen und die Vielfältigkeit ihrer Ausdruckskraft, ihren flüssigen, schwerelosen Stil bewundern zu können." Zur Zeit ist Stefania in Catania engagiert, wo sie die "Giselle" tanzt. Auch war sie immer wieder als Gast im Ensemble von Vittorio Biagi mit Auftritten in Italien, Deutschland und Frankreich zu sehen. Es wird wohl allerdings nicht mehr lange währen, daß man sie auf der Bühne bewundern kann, da sie das Theater verlassen will, um sich ganz der Choreographie zu widmen.
Olga, die dritte im Bunde, fühlte sich ebenfalls zum Tanz hingezogen und besuchte wie ihre Schwester Stefania die Tanzschule der römischen Oper. Ein Unfall allerdings ließ den Traum wie eine Seifenblase zerplatzen. Nach dem Besuch des Liceo Artistico nahm sie Unterricht an der Akademie für Aktzeichnen. Ihre Bilder waren bald sehr gefragt und in vielen Städten der Welt ausgestellt, so - neben Italien - in Melbourne, in Montreal und Peking, in Madrid, Paris und Warschau. Eine große Wanderausstellung soll demnächst durch Australien führen, eine weitere Ausstellung ist in Washington geplant. Illustrationen für Bücher und selbst Titelblätter von Zeitschriften gehören ebenso zu ihrem Schaffen wie große Wandmalereien. Derzeit arbeitet Olga an einer Wandmalerei für eine Arzt-Praxis in Ragusa.
Katherina Minardo schließlich hat sich einem eher widerspenstigen Material zugewandt. Ihre Skulpturen sind aus Marmor, aber auch aus Alabaster, Onyx oder Bronze. Schon als Kind fühlte sie sich zu dem kühlen Marmor hingezogen. Ihre Mutter erzählt, wie das kleine Mädchen bei Besuchen der vielen Barock-
kirchen Roms so liebevoll die Marmorsäulen streichelte wie andere Mädchen ihres Alters ihre Lieblingspuppen. Und bei Besuchen der Großeltern, die sich nach der Flucht aus Ostdeutschland bei Bad Mergentheim eine neue Existenz aufbauen konnten, hatte Katherina während ausgedehnter Spaziergänge stets ein kleines Messer dabei, setzte sich auf einen Baumstumpf und schnitzte an einem Holzstückchen.
Auch Katherina besuchte das Liceo Artistico in Rom, ging dann aber nach Montreal, wo sie als Innenarchitektin arbeitete. Gleichzeitig besuchte sie das "Bronfman-Institut", um Steinbildhauerei zu erlernen. Ein zweites Atelier hatte sie in Italien bei Carrara. In Italien schließlich gewann sie bei einem internationalen Wettbewerb einen ersten Preis. Einladungen zu Ausstellungen in Valletta/Malta, Paris, New York, in Malaysia, in Brunei und St. Petersburg folgten.
Wenn auch der bearbeitete Marmor den Betrachter dazu verführt, dieses Material als "weich" zu empfinden, so ist doch der Künstler besonders gefordert, eben diese Weichheit herauszuarbeiten. Das Glätten des Steins verlangt große körperliche Kräfte - Katherina weiß ein Lied davon zu singen.
Auch die Fachwelt ist von ihren Arbeiten angetan. So möchte der Direktor des British Museums in London vor dem Eingang des Hauses eine Skulptur der Bildhauerin aufstellen; eine Kommission soll im Herbst darüber entscheiden. Auch in Kanada, genauer gesagt in der Eingangshalle des italienischen Krankenhauses von Montreal, wird man eine Skulptur der Künstlerin aufstellen.
Wenn künstlerische Begabung in einer Familie sich derartig häuft, fragt mancher nach dem Ursprung. Nun, den vier Künstlerinnen aus Rom ist diese Begabung ganz gewiß von der Mutter mit in die Wiege gelegt worden. Vera Macht, geboren 1920 in Rostken, Kreis Johannisburg, und aufgewachsen im ostdeutschen Ortelsburg, lebt seit vielen Jahren in Rom. Mit ganzer Seele aber hängt sie an ihrer Heimat Deutschland und fühlt sich natürlich vor allem zu "ihrem" Ostdeutschland hingezogen. So hat sie einen großen Teil ihrer Gemälde dem Museum in Ortelsburg vermacht. Ihre Arbeiten, die von starker Farbgebung und kräftiger Pinselführung geprägt sind, drücken heiteres Erstaunen ebenso wie herbe Strenge aus. Ihre Porträts sind von großem Einfühlungsvermögen in das Gegenüber geprägt.
Doch auch die weite Welt hat es der agilen Künstlerin angetan. Gerade kehrte sie aus Brunei nach Rom zurück, wo sie wieder einen Porträt-Auftrag erhalten hatte, und schon denkt sie wieder an das ferne Japan, wo sie begeisterten Kindern kostenlose Deutsch-Kurse gibt. Eine unsichtbare Brücke, die sie auf keinen Fall abbrechen möchte. Vera Macht, die aufrechte Preußin mit Verbindungen in alle Welt, hat in der Familie, wie sie sagt, "stets den Orchesterdirigenten gespielt, so daß unsere Familiensymphonie uns eng zusammenhält, auch wenn wir oft so weit voneinander entfernt leben".
Katherina Minardo: Die Liebenden (grüner Marmor)
Vera Macht: Porträt des Choreographen Vittorio Biagi
Stefania Minardo: Als Cabiria in "La Strada" Fotos: privat
Olga Minardo: Silfide auf Sofa
Anna Minardo: Mosaik Ewigkeit (Gold/Glas) in Springvale/Australien
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