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Die Magdeburger Alternative

 
     
 
Die Volkswirtschaftsprofessoren Ronnie Schöb und Joachim Weimann von der Universität Magdeburg scheuen sich in ihrem neuen Buch "Arbeit ist machbar" nicht, die Ritualdebatten der Bundesagentur für Arbeit, der Tarifparteien und Politiker zu demontieren und einen klaren Blick auf die nüchternen Fakten des Arbeitsmarktes zu werfen. Dabei klang die Gewerkschaftsformel in den 80er Jahre
n als Argument für die 35-Stundenwoche so einfach: Es gibt zu wenig Arbeit, also verteilen wir einfach die vorhandene Arbeit auf mehr Köpfe, indem wir die Arbeitszeit des einzelnen reduzieren. Jeder arbeitet ein bißchen weniger, dafür kommen mehr Menschen in Lohn und Brot. Schöb und Weimann halten diese Logik für verheerend: Zur Blütezeit des deutschen Wirtschaftswunders 1960 betrug die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit in Deutschland fast 2.200 Stunden. Nur in Japan wurde damals mehr gearbeitet. Heute arbeitet ein Erwerbstätiger im Durchschnitt nur noch etwa 1.500 Stunden.

"Während die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren nahezu permanent gestiegen ist, ist die Regelarbeitszeit ständig gesunken. Wenn Arbeitszeitverkürzung ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sein sollte, dann hat es offensichtlich in Deutschland nicht gewirkt, und das, obwohl wir es in einer Dosis verabreicht haben, die stärker war als die in allen anderen Ländern. Mehr noch, in allen OECD-Ländern ist seit Mitte der 90er Jahre eine deutliche Verlangsamung der Arbeitszeitverkürzung festzustellen - außer in Deutschland", so die Feststellung der Buchautoren. Die Idee der Arbeitszeitverkürzung könnte nur dann funktionieren, wenn die Arbeitskosten durch kürzere Arbeitszeiten nicht verändert werden. Schöb und Weimann weisen nach, daß selbst ohne Lohnausgleich keine positiven Effekte für den Arbeitsmarkt zu erwarten sind.

Weiterbildungskosten, Kündigungsschutz und Sozialabgaben sind weitere Faktoren, die die Fixkosten pro Arbeitsplatz nach oben treiben. Das wirkt sich auch auf die Arbeitsnachfrage der Unternehmen negativ aus: Sie substituieren Arbeit durch Kapital. Die Ursache der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland ist mit Sicherheit nicht in zu langen Arbeitszeiten zu suchen, wie es die Gewerkschaften gebetsmühlenhaft behaupten.

Nicht minder prägnant handeln die beiden Ökonomen die gängigen Therapieformen in der Arbeitsmarktpolitik ab. Der Leser erfährt, wieso das Bündnis für Arbeit nichts bewirken kann, weshalb Personalserviceagenturen und Minijobs aus dem Hartz-Konzept enttäuscht haben und warum die von Kanzler Gerhard Schröder mit hohen Erwartungen in Gang gesetzte Agenda 2010 ins Leere läuft. Was ist denn auch von den Vorschlägen der Hartz-Kommission übriggeblieben? Vollmundig versprach im Jahr 2002 der Namensgeber der Kommission, VW-Personalchef Peter Hartz, eine Reduzierung der Arbeitslosenzahl in drei Jahren um zwei Millionen. Davon sind wir weiter entfernt denn je. Aus der Krankheitsgeschichte des deutschen Arbeitsmarktes und den vielen vergeblichen Therapieversuchen sind nach Ansicht von Schöb und Weimann noch nicht die richtigen Lehren gezogen worden: Am Ende bleiben nur zwei Optionen übrig, darunter der Weg nach Thatcherschem Vorbild, der eine Senkung der Löhne und herbe Einschnitte vorsieht, um so wieder mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Das würde allerdings eine vollständige Liberalisierung des Arbeitsmarktes und die weitgehende Aufgabe der Tarifautonomie voraussetzen. Das Modell von Schöb und Weimann - als "Magdeburger Alternative" tituliert - sieht eine sanftere Reform über Lohnkostenzuschüsse vor in Anlehnung an das US-amerikanische "Earnded-Income-Tax-Credit-Programm", das 1975 ins Leben gerufen wurde.

"Bei sehr niedrigen Einkommen - bis 10.020 Dollar pro Jahr - legt der Staat auf jeden Dollar, den ein Haushalt mit mindestens zwei Kindern verdient, 40 Cents als Steuersubvention auf das Arbeitseinkommen drauf. Erst ab einem Arbeitseinkommen von 13.090 Dollar werden ihm dann von jedem zusätzlich verdienten Dollar 21 Cent abgezogen", so die Autoren. Die deutsche Familie, die von der Sozialhilfe lebt, kann durch eigene Arbeit ihr Einkommen praktisch nicht steigern. Im amerikanischen System dagegen ist es wenig attraktiv, nur von staatlichen Transfers zu leben. Die Vorschläge der "Magdeburger Alternative" gehen in eine ähnliche Richtung. Nur werden die Lohnkostenzuschüsse nicht an die Arbeitnehmer, sondern direkt an die Arbeitgeber bezahlt. Ohne die Nettolöhne überhaupt anzutasten, kann man damit die Arbeitskosten substantiell senken. Die sofortige Umsetzbarkeit, die Wirksamkeit der Maßnahme und die Verträglichkeit mit dem bestehenden System der Tarifautonomie sind nach Meinung der Buchautoren die wesentlichen Vorteile des Vorschlages. G. Sohn

Ronni Schöb und Joachim Weimann: "Arbeit ist machbar -

Die neue Beschäftigungsformel", Verlag Janos Stekovics, Dößel 2004, broschiert, 193 Seiten, 16,80 Euro

 
     
     
 
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