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Der Autor ist Präsident des "Deutschen Atomforums". Bei der Eröffnung der Jahrestagung Kerntechnik im Mai 2006 formulierte er die Standpunkte der Atomforscher in der Diskussion um das deutsche Energiekonzept. Hier Auszüge aus seiner Ansprache:
Dem Wechsel von der rot-grünen Regierung zur Großen Koalition in Berlin sind energiepolitisch leider noch keine Veränderungen gefolgt. Infolge der diametral entgegengesetzten Positionen von CDU/CSU und SPD bei der Kernenergie bleibt es bis auf weiteres bei der bisherigen Regelung bezüglich der Restlaufzeiten. Der Energiegipfel als Auftakt eines Prozesses, an dessen Ende im Januar 2007 ein energiepolitisches Gesamtkonzept für die nächsten Jahrzehnte stehen soll, macht allerdings Hoffnung. Hoffnung, auf nüchterne und sachlich fundierte Entscheidungen im Interesse des Standorte s Deutschland. Hoffnung, auf zukunftsfähige und verläßliche Rahmenbedingungen, die angesichts der Langfristigkeit von Investitionen in der Energiewirtschaft unerläßlich sind. Der Koalitionsvertrag gilt nur für diese Legislaturperiode, das Energiekonzept stellt aber die Weichen bis 2020. Im Rahmen der Erarbeitung des Energiekonzepts kann man daher die Kernenergie, die mit über 26 Prozent in der Gesamterzeugung und mit über 47 Prozent in der Grundlast den größten Anteil an der Stromversorgung in Deutschland stellt, nicht außen vor lassen.
Weltweit beläuft sich der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung auf 16 Prozent, in der Europäischen Union sind es 32 Prozent. Es ist schon bemerkenswert, welches Interesse von Teilen der Politik besteht, diese Fakten herunterzuspielen. Angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung infolge eines neuen Investitionszyklus (zum Beispiel in Großbritannien) und aufgrund der weltweit deutlich steigenden Energienachfrage wird die Stromerzeugung aus Kernenergie innerhalb der EU und weltweit eine Säule der Energieversorgung bleiben. Dies ist eine Tatsache, um die wir auch im Rahmen der Erarbeitung des neuen Energiekonzepts nicht herumkommen werden. Ausklammern der Kernenergie hilft nicht weiter. Ich werbe dafür, das Thema Kernenergie neu, offen und vorurteilsfrei zu diskutieren. Dazu gehört auch, daß durch die Abschaffung von Kernkraftwerken keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, bevor ein neues Energiekonzept und die dazugehörigen Umsetzungsschritte auf dem Tisch liegen ...
Die positive Einstellung zur Kernenergie wächst Jahr für Jahr. Nach nahezu allen Umfragen gibt es in Deutschland in der Bevölkerung eine Mehrheit, die sich für ein Überdenken des Ausstiegsbeschlusses ausspricht. Daher halte ich auch die notwendige Diskussion über eine Neubewertung für möglich, ohne damit wieder alte Gräben aufzureißen. Gerade die durchweg sachliche und konstruktive Diskussion um die Risiken und Chancen der Kernenergie anläßlich des 20. Jahrestags des katastrophalen Reaktorunfalls von Tschernobyl hat gezeigt: Ideologische Scheuklappen und die teilweise Instrumentalisierung dieses tragischen Ereignisses finden in Deutschland zu Recht kaum mehr öffentliche Resonanz. Vielmehr war das Ereignis Anlaß, erneut darüber nachzudenken, ob der Ausstieg denn wirklich richtig ist. Der Jahrestag hat damit, insgesamt gesehen, eher das Gegenteil dessen bewirkt, was seine Initiatoren beabsichtigt haben.
Der Ausstieg aus der Kernenergie wurde von der damaligen rot-grünen Politik mit vielerlei Erwartungen und Behauptungen unterlegt, von denen wir heute wissen, daß sie so nicht eintreten. Vieles hätte man allerdings auch schon vor sechs Jahren wissen können.
Die Annahme, andere würden uns in unserem "guten" Beispiel im Ausstieg folgen, hat sich als naiv entpuppt. Die Finnen haben uns nicht gefragt, ob sie einen neuen Reaktor bauen sollen. Und die Engländer werden uns auch nicht fragen, wenn sie wieder in die Kernenergie einsteigen. Von den Russen, Amerikanern, Japanern, Chinesen oder Indern ganz zu schweigen. Im Gegenteil: Wir haben uns aus der internationalen Diskussion auch um Sicherheitsfragen mehr oder weniger verabschiedet, sind isoliert und werden nicht mehr richtig ernst genommen. Also: kein Gewinn an Sicherheit, sondern eher ein Verlust an Sicherheit. Es zeugt schon von einem gerüttelt Maß an Überheblichkeit zu meinen, daß die anderen, die in der Kernenergie verbleiben und sie ausbauen, dümmer oder gar fahrlässiger wären als wir.
Auch die Annahme, wir könnten unsere ehrgeizigen CO2-Ziele trotz Ausstieg erreichen, erweist sich als falsch. Die Ziele bis 2012 werden wir noch erreichen können, das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um mehr als 30 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, jedoch definitiv nicht. Die Dena-Studie, die sich in erster Linie mit den Konsequenzen des Windausbaus beschäftigt, zeigt, daß trotz des unterstellten massiven Windanlagenausbaus das CO2-Emissionsvolumen gerade einmal auf dem Niveau von 2003 stabilisiert werden kann. Die langfristigen Ziele der CO2-Emissionsreduzierung werden deutlich verfehlt. Wer aus der Kernenergie aussteigt, nimmt das Thema CO2 nicht ernst genug.
Die Annahme, der Ausstieg aus der Kernenergie sei ohne volkswirtschaftliche Verwerfungen zu haben, trifft ebenfalls nicht zu. Laut einer vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beim Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI) und beim EEFA-Institut (Energy Environment Forecast Analysis; unabhängiges Forschungsinstitut in Berlin und Münster, erforscht schwerpunktmäßig Energie- und Umweltprobleme) in Auftrag gegebenen Studie müßte die deutsche Volkswirtschaft bei der Umsetzung des Ausstiegs-Beschlusses zusätzliche Mittel für den Bau und Betrieb von Ersatzkraftwerken aufbringen, die ansonsten für anderweitige Zwecke - investive oder konsumptive - zur Verfügung stünden. Darüber hinaus hätten, so die Gutachter weiter, längere Laufzeiten über Wettbewerbs- und Einkommenseffekte einen ganz erheblichen positiven Einfluß auf Produktion und Beschäftigung. Können wir es uns angesichts der bescheidenen Entwicklung unserer Volkswirtschaft wirklich leisten, auf diese positiven Entwicklungen zu verzichten?
An die Verschärfung des Themas Versorgungssicherheit - Stichworte: höhere Erdgasimporte, Verteuerung von Gas und Öl, Zugang zu den Ressourcen - hat vor sechs Jahren noch niemand gedacht. Wenn wir aussteigen, können wir die quasi heimische Kernenergie - und das auch nur mit Verzögerung - im wesentlichen nur mit Gaskraftwerken ersetzen und das heißt: noch höhere Abhängigkeit. Gerade die letzten Monate (das heißt Probleme bei der Lieferung aus Rußland) haben uns die Augen dafür geöffnet, wie gefährlich das werden kann. Immerhin können wir die Erdgasimporte schon bei einer Laufzeitverlängerung auf 40 Jahre um neun Prozent reduzieren.
Die Grünen: Obwohl nicht mehr in der Regierung, in Sachen Atomausstieg lautstark. |
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