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Diäten-Hickhack

 
     
 
Nicht gerade häufig spricht man in Deutschland von der Hauptstadt des nördlichsten Bundeslandes, von Kiel, und das, obgleich Ernst von Salomon in seinem immer wieder lesenswerten Buch "Der Fragebogen" darauf hinweist, daß Kiel auf jedem beliebigen Globus zu finden sei. In den letzten Wochen aber erregte Kiel von Sylt bis ins Erzgebirge Aufsehen. Der dort ansässige schleswig-holsteinische Landtag nämlich gedachte, mit den Stimmen der beiden Volksparteien
SPD und CDU die Diäten seiner Abgeordneten um 45 Prozent zu erhöhen. Sie beriefen sich darauf, daß das BVG die bisherige, für Außenstehende nahezu undurchschaubare Honorierung der Abgeordneten moniert hatte. Zu der Grunddiät hatten sich die Volksvertreter im Laufe der Jahre immer mehr Zuschläge für alle möglichen Partei- und Fraktionsjobs zugeschanzt. Darüber hinaus hatten sie Methoden entdeckt, die ihnen eine vom Staat finanzierte überaus einträgliche Altersversorgung sicherte.

In der tiefsten Finanzkrise des Landes kamen dann SPD- und CDU-Fraktion auf die wenig glorreiche Idee, nunmehr den ersten Teil der geforderten Reform anzugehen, nämlich die Anhebung der Grunddiäten unter Wegfall mancher Zuschläge zum 1. Juni. Dann sollten alle Abgeordneten monatlich statt bisher 3.926 Euro satte 5.700 Euro erhalten. Vollends schlug es dem Faß den Boden aus, als die beiden Fraktionen im Finanzausschuß festlegten, die dadurch in diesem Jahr entstehenden Mehrkosten von 690.000 Euro im wesentlichen durch die Aufnahme weiterer Kredite aufzubringen. Da das Land bereits bis an die Grenze der Verfassungsmäßigkeit verschuldet ist (zur Zeit mit 17,7 Milliarden Euro, pro Kopf 6.306 Euro), ging ein Schrei der Empörung durch das Land, ja, durch die ganze Republik. Das hatte jedoch die Parlamentarier zunächst überhaupt nicht erschüttert. Bockig verwiesen sie auf das BVG-Urteil, in dem eine Diäten-Reform gefordert wurde, verschwiegen aber, daß sie deren zweiten Teil, nämlich die Aufgabe der überhöhten staatlich finanzierten Altersversorgung zugunsten einer privaten, aufschoben, bis in zwei Jahren ein neuer Landtag gewählt ist. Auch die längst überfällige Verkleinerung des Landtages von derzeit 89 auf 69 Abgeordnete blieb zunächst unberücksichtigt.

Unter den Protesten der Öffentlichkeit nahm man zuerst Abstand von der peinlichen Idee, für die Erhöhung der Diäten neue Staatsschulden aufzunehmen. Jetzt sollten die Mehrkosten durch Einsparungen an anderer Stelle aufgebracht werden. Aber auch dadurch wurde die Öffentlichkeit nicht beruhigt.

Die SPD-Kreisvorsitzenden wandten sich geschlossen gegen die Bereicherungspläne und drohten den Abgeordneten an, sie zur nächsten Landtagswahl nicht wieder als Kandidaten aufzustellen. Als dann auch an der CDU-Basis die Proteste immer lauter wurden und Landeschef Carstensen, der nicht im Landtag sitzt, verkündete, für die Erhöhung werde es in keinem Gremium der Partei eine Mehrheit geben, knickten die beiden Fraktionsvorstände ein - übrigens nicht aus Einsicht, daß man sich zu Zeiten größter finanzieller Belastung des Landes wie jedes einzelnen Bürgers nicht derart ungeniert bereichern kann, sondern zähneknirschend und in der trotzigen Position, im Grund habe man ein Anrecht auf die Erhöhung.

Nicht alle Abgeordneten der beiden Volksparteien allerdings gehören zu den "Diäten-Abzockern". Zivilcourage bewiesen die CDU-Abgeordnete Sylvia Eisenberg aus Altenholz und der SPD-Abgeordnete Jürgen Weber aus Kiel. Sie lehnten von Anfang an die Erhöhung ab.
 
     
     
 
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