A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Finanzkrise

 
     
 
Rußland in der Krise, allein dieses Schlagwort hat in den letzten Wochen zu erheblichen Verunsicherungen und Spekulationen im westlichen Ausland geführt. Davon bleibt auch das nördliche Ostdeutschland nicht verschont. Reisen in die Heimat werden storniert, die hier lebenden Deutschen erhalten fast täglich Anrufe aus der Bundesrepublik Deutschland
, selbst aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Und alle Anrufer haben nur eine Frage: Können wir helfen?

Zunächst einmal muß deutlich gesagt werden: es gibt auch in der Königsberger Region keinen Ausnahmezustand. Zu diesen Irritationen führte Anfang September eine Rede des Gouverneurs Gorbenko, der in seiner Wortwahl äußerst ungeschickt agierte. Er hatte in seiner Ansprache an die Bewohner des Gebietes eine sogenannte außerordentliche Situation deklariert, die dazu führte, daß besondere Maßnahmen zur Unterstützung der notleidenden Bevölkerung eingeleitet werden konnten. Es gibt aber keinerlei Beschränkungen von Bürgerrechten und, dies mag das wichtigste für die Besucher der Heimat sein, es kann weiterhin ungehindert aus- und einreist werden.

Um die Situation nicht weiter zu verschlechtern, weigert sich der Gouverneur, die gesetzmäßigen Steuertransfers nach Moskau durchzuführen. Dies vor allem, weil Moskau seinen diesjährigen Finanzverpflichtungen gegenüber der Gebietsverwaltung erst zu 37 Prozent nachgekommen ist. Doch in der Praxis mag dies kaum Auswirkungen haben, da infolge der Finanzkrise die Steuerzahlungen extrem rückläufig sind. Passend dazu die Meldung, daß im Gebietshaushalt ein neues Finanzloch von rund 60 Millionen Mark sich aufgetan hat, weil, so der zuständige Vizegouverneur Alexander Sakanow, man sich bei der Erstellung des Haushaltes 1998 schlicht verrechnet habe. Der Mann muß es wissen, war er doch vor seiner Ernennung zum Vizegouverneur Leiter des Gebietsfinanzamtes. Doch alle Maßnahmen der Gebietsverwaltung, der einzelnen Stadtverwaltungen im Gebiet, so hat die Stadtverwaltung Königsberg ihren restlichen Jahresetat komplett umgeschichtet und will nur noch Geld für die Anschaffung von Heizstoffen und die Auszahlung von Löhnen und Gehältern ausgeben, kommen im Moment mehr einer reinen Krisenverwaltung denn einer Krisenbekämpfung nahe. Ob der großen Abhängigkeit von Moskau ist mehr auch nicht möglich. Aber alleine kann sich das Gebiet nicht helfen.

Den Menschen im Königsberger Gebiet geht es sichtlich schlechter. Wer aufmerksam durch die Straßen der Stadt geht, der kann es sehen. In allen Regionen des nördlichen Ostdeutschland ist es zu sehen: noch nie haben so viele Menschen versucht, ihre Obst- und Gemüseernte an den Straßenrändern zu verkaufen, auf den Kartoffeläckern suchen noch Tage nach der Ernte zahlreiche Menschen. In den Wäldern treten sich die Pilzsammler auf die Füße, vor den Banken und den Wechselstuben trifft man ständig größere Menschenansammlungen, überwiegend Geldhändler.

Vor allem aber trifft es zur Zeit die medizinischen und sozialen Einrichtungen sowie die alten und armen Bewohner des Gebietes. Preissteigerungen bis zu 500 Prozent, das Schließen fast aller Großhandelsbetriebe, keine Importe seit Wochen, haben dazu geführt, daß sich die Regale in vielen Läden merklich geleert haben. Auch in den Gesichtern der Bewohner  hinterläßt die Krise Spuren. Die Menschen sehen viel ernster aus, fast verbittert wandern sie durch die Straßen, auf der Suche nach Möglichkeiten, noch irgend etwas zu alten Preisen zu ergattern.

Fast alle medizinischen und sozialen Einrichtungen haben nur noch geringe Notvorräte. So klagte der Chefarzt der forensischen Psychiatrie in Tilsit, daß es in seiner Klinik nur noch Weißkohl und Salz gebe, er aber doch über 600 Patienten, die meisten von ihnen gewalttätig, nicht auf die Straße setzen könne. Nach Angaben eines Königsberger Chefarztes sind selbst von den Medikamentenvorräten für den Katastrophenfall schon 50 Prozent verbraucht worden. Da hilft auch der Rat des Gouverneurs recht wenig, dieser hatte vorgeschlagen, vorläufig 37 Prozent aller Heilbehandlungskosten einzusparen. Um wenigstens den ärmsten Bewohnern des Gebiets zu helfen, hat der Leiter der Delegation der deutschen Wirtschaft in Königsberg, Stephan Stein, schon Kontakt zum Auswärtigen Amt in Bonn aufgenommen, damit von dort humanitäre Hilfslieferungen vorbereitet werden können. BI

 

 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Zu spät für die Familie?

Für Sie entdeckt

Kohl ohne Kohl

 
 
Erhalten:
finanzkrise
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv