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Von der Ordenszeit bis zum ersten Weltkrieg waren historische Belegstücke, beispielsweise Waffen und Fahnen der Regimenter aus der Schlacht bei Tannenberg (1914) zu sehen. Der Name "Moskowitersaal" leitet sich übrigens ab von einem Besuch Peters des Großen (1697), der mit seinem 400 Mann starken Gefolge in diesem großen Saal empfangen worden sein soll.
Die Völkerkundliche Abteilung wurde schon vor 1904 aus räumlicher Enge heraus abgetrennt; sie kam in die Böttcherstraße 2. In den 20er Jahren soll sie aber Augenzeugenberichten zufolge wieder im Schloß zu sehen gewesen sein. Außerdem gab es eine Münz- und eine Siegelsammlung.
Als Deutschland 1918 durch den Versailler Vertrag und durch die Inflation in große Not geriet, ging die Zahl der Prussia-Mitglieder zurück, und der Verein bewegte sich am Rande des Abgrundes.
Ab 1921 jedoch ging es langsam aufwärts. Die Prussia richtete Kurse und Vorträge für Lehrer in Heimatkunde und Vorgeschichte ein. Im Jahre 1924 war das Prussia-Museum die Zentralstelle für Heimatkunde; 1925 wurde eine Vereinigung zur Förderung der wissenschaftlichen Heimatkunde gegründet unter Federführung des Direktors des Prussia-Museums, Dr. Wilhelm Gaerte, der nachdem zwischenzeitlich Prof. Felix Ernst Peiser, Prof. Ebert und Professor Richard Dethlefsen den Vorsitz innegehabt hatten ab 1934 die Leitung der Gesellschaft übernahm. Die Betonung der Heimatkunde hing vermutlich mit nachbarlichen Begehrlichkeiten zusammen Besetzung des Memellandes durch Litauen, 1923 mitten im Frieden, zum Teil auch polnische Presse ; so nannte sich die Zeitschrift des Vereins ab 1927 "Prussia Zeitschrift für Heimatkunde und Heimatschutz".
Im Jahre 1924 war die Prussia wieder im Schloß, und zwar mit noch verbliebenen vier Abteilungen: Vorgeschichte, Volkskunde, Historie und Wehrgeschichte sowie kirchliche Kunst der Ordenszeit. Die kunstgewerbliche Sammlung kam an das Städtische Kunstmuseum, die Kant-Hinterlassenschaft in ein Kant-Zimmer in der alten Universität, die Musikinstrumentenabteilung an das Musikwissenschaftliche Institut der Universität.
Wegen des großen Umfanges der Sammlung übergab die Prussia aus finanziellen Nöten heraus ihr Eigentum 1925 an die Provinz. Dr. Gaerte wurde Direktor des Museums, das nun "Provinzialmuseum für Vorgeschichte" aber weiterhin Prussia-Museum hieß. Die obere Abbildung zeigt einen anmutigen Blick in Dr. Gaertes Zimmer im Schloß.
In dieser für die Prussia wirtschaftlich schwierigen Zeit nahm die Ausgrabungstätigkeit ab, ebenso auch die Mitgliederzahl: sie sank von 932 im Jahre 1925 auf 570 im Jahre 1937.
Ab 1932 ging die Grabetätigkeit aus Mangel an Mitteln weiter zurück, und schließlich beschränkte sich die Arbeit der Prussia auf Vortrags- und Veröffentlichungstätigkeit. Die Ausgrabungen in Linkuhnen und vor allem im Wikingerdorf Wiskiauten wurden allerdings fortgeführt und fanden internationale Beachtung. Es erfolgte ein Studienaufenthalt einer schwedischen Delegation mit Professor Neerman in Begleitung des schwedischen Außenministers an dieser Ausgrabungsstätte (unteres Foto).
1937 mußte die Prussia-Bibliothek schweren Herzens aufgegeben werden, da sie infolge fehlender Mittel für Neuanschaffungen zu veralten drohte. Die Berichtshefte wurden noch bis 1939 veröffentlicht. Aus diesen Berichtsheften ersieht man, daß die Prussia wohl bis zuletzt ihren eingangs besprochenen Zielsetzungen treugeblieben ist; daran hat auch die formale "Gleichschaltung" 1934 inhaltlich nichts geändert. Der Name "Prussia" behielt seinen guten Klang.
In erster Linie versucht die "neue" Prussia wie oben beschrieben Leistungen Altpreußens zu erforschen und zu verbreiten. Dies geschieht vor allem in den thematisch vielgestaltigen, bisher immer gut besuchten Versammlungen der Prussia. Weiterhin wurde seit der Gründung 1972 vielerorts eine Ausstellung in der Öffentlichkeit gezeigt und mit Vorträgen eingeleitet, im letzten Jahrzehnt auch im südlichen und nördlichen Ostdeutschland, so beispielsweise eine Bernstein- , eine Landkarten-, eine Kopernikus- und eine F. W. Bessel-Ausstellung sowie eine Ausstellung von Kant-Bildnissen.
Um die Leistungen des deutschen Ostens nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wurde eine Schriftenreihe herausgegeben, die in bisher 16 Bänden sich beispielsweise mit "Zur Herkunft und Sprache der Preußen" (Lothar Kilian, 1980) befaßt, das "Lexikon der Stadt Königsberg und Umgebung" (Robert Albinus, 1985), "Die Preußische Regierung zu Königsberg 1918 1945" (Georg Bitter, 1988), Bildband "Königsberg in Preußen" (Martin Schmidtke, 1997) unsere Provinzhauptstadt und mit "150 Jahre Prussia" (Günter Brilla Hrsg., 1997) und "Sammlung Prussia Archiv und Bibliothek" (Lothar Förmer, 1998) die Arbeit unserer Vereinigung darstellt.
Unser Mitglied Gerhard Kohn hat in Zusammenarbeit mit der russischen Fernsehjournalistin Ludmilla Filatowa mit einem Videofilm "Königsberg Stadt und Schicksale" (1996) unserer Heimatstadt ein Denkmal gesetzt.
Seit der Bildung deutscher Kulturvereine im südlichen Ostdeutschland haben wir dieselben in Allenstein, Bischofsburg und Sensburg in der Startphase unterstützt.
Die Prussia-Mitglieder Erna Tietz, Annemarie Zettler und Dr. Horst Hüttenbach haben mit Unterstützung durch den Deutschen Landfrauenverband eine Aktion "Urlaub auf dem Bauernhof" im südlichen Ostdeutschland organisiert und in Landsberg (Natangen) eine Nähstube eröffnet (E. Tietz u. A. Zettler, Sudetenstraße 10, 35039 Marburg).
In Königsberg haben wir die Vereine "Ostdeutschlandclub", "Eintracht" und die archäologische Abteilung des Historischen und Kunstmuseums, zusammen mit den Prußenvereinigungen "Prusa" und "Tolkemita", betreut sowie mit dem Deutsch-russischen Haus kooperiert, beispielsweise Ausstellungen gezeigt und Bücher gespendet. Mit privaten Spenden unterstützen wir den Deutschunterricht für rußlanddeutsche Kinder, der dringend der Förderung bedarf.
Anläßlich des 450-Jahr-Gedenkens zur Gründung der Albertina im Jahre 1994 wurde durch Professor Günter Brittinger, Professor Karlfried Karzel und den Verfasser unter Mithilfe weiterer Prussia-Mitglieder die Tagung der Sektion Medizin organisiert. Daraus ergab sich eine noch andauernde Zusammenarbeit mit einer Reihe von russischen Professoren, besonders mit Wissenschaftlern und Studenten der Biologischen Fakultät der Universität Kaliningrad, die voraussichtlich zu einer Gastprofessur des Verfassers führen wird.
Mit Aachener und Kölner Studenten hat der Autor wiederholt biologische Exkursionen in das südliche und das nördliche Ostdeutschland durchgeführt, die dank der kulturellen Verbindungen der Prussia Einblicke und Erkenntnisse und hoffentlich auch Anstöße vermitteln konnten.
Eine Zusammenarbeit mit Archäologen der Baltischen Expedition, Dr. Wladimir Iwanowitsch Kulakow und Anatolij Alexandrowitsch Wajujew, führte zu Vorträgen vor der Prussia und zu einer internationalen Beschriftung der archäologisch sehr sehenswerten Ausstellung in der ehemaligen Stadthalle, die der Tradition der Prussia folgt. Die gemeinsame Erforschung preußischer Burgwälle durch Dieter Rimat und Anatoli Walujew fanden durch den plötzlichen Tod Rimats ein vorläufiges Ende.
Schließlich bereitet die Prussia ein Dauerausstellung von Kant-Bildnissen im Königsberger Dom mit russischen, deutschen und englischen Texten vor, sowie Wanderausstellungen in Tilsit, Insterburg, Gumbinnen und Gerdauen.
Bei der Vorbereitung auf das 450-Jahr-Gedenken an die Gründung der Albertina wurde die Aufstellung eines Herzog-Albrecht-Reliefs an historischem Ort geplant; dies scheiterte jedoch aus finanziellen Gründen. Statt dessen konnte die Prussia, zusammen mit der Tolkemita und technisch unterstützt von russischen Enthusiasten, einen Findling aufstellen, der in russischer und deutscher Sprache an die Gründung der Universität im Jahre 1544 an dieser Stelle erinnert.
Zum Abschluß soll noch einmal Dr. Paul Landau zu Wort kommen, der 1916 das Museum im sogenannten "Königlichen Palais" besichtigt hat und dessen Worte den Geist der alten und der neuen Prussia gut wiedergeben: "Das Königsberger Prussia-Museum ist so recht ein Denkmal jener vielbewunderten ostdeutschen Heimatliebe, die jedem auffällt, der in unserer Ostmark geweilt. ,Der Mensch und das Land, sagt Ernst Moritz Arndt von diesem altpreußischen Wesen, ,sind in Liebe und Treue so ineinander verwachsen, daß der in Preußen geborene Mensch sein Land, sein rauhes und in mancher Hinsicht unschönes und unromantisches Land mit unendlicher Liebe festhält und lebt und preist. Wirklich ist Preußen seiner Liebe eine Art Paradies geworden, in welchem fast alles in der Unschuld der ersten Liebe erblickt wird
"
Prof. Dr. Günter Brilla ist Präsident der Prussia-Gesellschaft in Duisburg.
(Schluß)
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