|
Es war eine Dokumentation im Fernsehen, die mein Leben in eine völlig neue Bahn lenkte." Arnold Borowski klingt stolz und ausgeglichen, ganz anders als damals, als man ihm im Alter von nur 58 Jahren mitteilte, daß er seiner Gesundheit zuliebe in den Ruhestand gehen müßte.
Da er ohne Aufgabe nicht leben wollte, nahm er sich vor, seine Tage der Malerei zu widmen, fühlte sich aber in diesem Bereich der Kunst nicht ganz zu Hause. Als er dann im Fernsehen zufällig eine Dokumentation über Geigenbau sah, war er sofort Feuer und Flamme. Fasziniert schaute er sich die Sendung an und erinnerte sich an seine Zeit an der Lehrerbildungsanstalt in Ostdeutschland. Das Ausbildungszentrum für junge Leute, die den Lehrberuf ergreifen wollten, war in einem Kloster in Mehlsack untergebracht. Dort gehörte auch Geigenunterricht mit zum Lehrstoff, und schon damals hatte sich der junge, aus Hauptmannsdorf im Kreis Schloßberg stammende Ostpreuße für dieses Streichinstrument begeistert. Zudem hatte er schon von seinem 7. bis 14. Lebensjahr Mandoline gespielt und war der Musik somit zugetan.
Nach viereinhalb Jahren Kriegsgefangenschaft im Kaukasus wollte er dann als Lehrer arbeiten, doch man erkannte seine Ausbildung aus der Zeit des Nationalsozialismus nicht an, und Arnold Borowski mußte abermals die Schulbank drücken, um auch in der Bundesrepublik Deutschland als Englisch- und Werklehrer arbeiten zu dürfen.
Der Geigenbau offenbarte sich für ihn als Chance, seine Liebe zur Musik und seine Freude bei handwerklichen Tätigkeiten miteinander zu vereinbaren. Aber aller Anfang ist natürlich schwer, zudem wurde sein doch ziemlich hochgegriffenes Ziel anfangs belächelt. Trotzdem fuhr er nach Bremen in die Universitätsbibliothek und entlieh Bücher über Geigenbau, abonnierte Zeitschriften zu diesem Thema aus England und begann mit dem Küchenmesser seiner Frau, seine erste Geige zu fertigen.
Die Freude, als die erste selbstgebaute Geige die ersten Töne von sich gab, war groß. Arnold Borowski kaufte sich nun nach und nach das entsprechende Werkzeug zusammen. Als ihn jemand bat, eine Geige zu reparieren, die ein Fachmann dem Sperrmüll hatte übergeben wollen, packte ihn der Ehrgeiz, dieses "schrottreife Kulturgut" wieder der Welt der Musik zu übergeben. Mühselig war die Arbeit, doch um so größer das Erfolgserlebnis, als das für immer stumm geglaubte Instrument wieder klangvolle Töne von sich gab.
Schnell machte sich der Hobbygeigenbauer in seiner Umgebung einen Namen, und er kam auf die Idee, Streichinstrumente im Miniformat nachzubauen. Mit viel Liebe fertigt er nun auch kleine, gerade sieben Zentimeter messende Geigen, Bratschen, Celli, Kon-trabässe, Gitarren, Lauten und Mandolinen, die er auf Hobbymärkten in Deutschland und den Niederlanden zusammen mit seinen bespielbaren Instrumenten verkauft. An einer originalgroßen Geige arbeitet er 280 Stunden, verkauft seine Instrumente aber für einen durchaus bezahlbaren Preis, denn es ist die Freude an der Arbeit und nicht die Aussicht auf einen Nebenverdienst, die ihn antreibt. Außerdem: was gibt es Schöneres, als daß die selbstgeschaffenen Instrumente auch für das Musizieren verwandt werden, Kinder in der Musikschule ihre ersten Töne auf einer seiner Geigen erlernen oder erfahrene Musiker den Klang seiner Celli auskosten. Fritz Hegelmann
Zu neuem Leben erweckt: Arnold Borowski läßt auch defekte Instrumente wieder erklingen |
|