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Ein Prag-Besuch mit peinlichen Folgen

 
     
 
Zu den zahlreichen deutschen Familien, die um die Jahrhundertwende in dem damals zur k. u. k. Monarchie gehörenden Prag wirtschaftlich erfolgreich waren, gehörten die Nebrichs. Die aus Hessen stammende Industriellen-Dynastie hatte in Prag mehrere Maschinenfabriken gegründet und erfolgreich geleitet und war damit zu Ansehen und einem beträchtlichen Vermögen gelangt.

Die Familie lebte in einer prächtigen Villa am Hradschinplatz 11, die auch Sitz der Sammlung wertvoller
Gemälde aus verschiedenen Epochen europäischer Kunst war, welche die Familie im Laufe vieler Jahre erworben hatte. Das "Triptychon" von Gerard David allein hat heute einen Wert von 1,5 Millionen Mark.

1932 verstarb das Familienoberhaupt Karl Nebrich. Seine Angehörigen lebten weiter in der Villa am Hradschinplatz und konnten dank des hinterlassenen Vermögens einen standesgemäßen Lebensstandard aufrechterhalten. Dann kam das Kriegsende. Die Rote Armee eroberte Prag. Die tschechischen Nationalisten übernahmen die Macht und verwirklichten, was sie seit vielen Jahren geplant hatten: Alle Deutschen wurden aus der Tschechoslowakei vertrieben, gleichgültig, ob vermögende Großbürger oder besitzlose Arbeiter.

In den Benes-Dekreten vom 10. August 1945, jenen allem Völkerrecht hohnsprechenden, heute noch geltenden Gesetzen, las man, daß Wertpapiere, Wert- und Kunstgegenstände der Deutschen entschädigungslos enteignet werden. 1946 bestimmte das Restitutionsgesetz der CSR, daß enteigneter deutscher Besitz an "national zuverlässige Personen" auszuhändigen sei.

Einer dieser im Sinne der tschechischen Nationalisten "zuverlässigen" Personen war der jüdische Emigrant Josef Körbl, Beamter im tschechischen Außenministerium. Er war zurückgekehrt und meinte nun, wie die "Passauer Neue Presse" sich ausdrückt, "vielleicht so etwas wie ein moralisches Recht auf seinen Anteil an der Kriegsbeute verspürt" zu haben.

So eignete sich Körbl das Renaissance-Mobiliar, die echten Teppiche und das Familiensilber der Nebrichs sowie dreißig Gemälde aus der Privatsammlung der Familie an. Er stieg in der Hierarchie des tschechischen Unrechtsstaates empor und brachte es bis zum tschechischen Botschafter in Jugoslawien. 1948 wanderte er unter Mitnahme seines gesamten ihm vom tschechischen Staat überlassenen geraubten ehemals deutschen Vermögens in die USA aus und änderte seinen Namen.

Die Töchter des Fabrikanten Nebrich wohnten als Vertriebene in Österreich und suchten nach dem ihnen völkerrechtswidrig weggenommenen Privatvermögen – jahrzehntelang ohne Erfolg. Da stießen sie 1996 auf eine Spur: Die damalige Uno-Botschafterin der USA, Madeleine Albright, besuchte Prag und erzählte den Medien von ihrer Kindheit in der ehemals deutschen Villa am Hradschinplatz 11. Die jetzige US-Außenministerin trägt den offiziellen Mädchennamen Korbel; wie sich herausstellte, war das die amerikanisierte Form des Namens des ehemaligen tschechischen Botschafters Körbl.

Die Nebrich-Familie schrieb an Madeleine Albright und meldete den Anspruch auf Rückgabe des geraubten Vermögens an. Die inzwischen zur Außenministerin avancierte Diplomatin stellte sich zunächst tot und beantwortete den Brief nicht. Als die rechtmäßigen Erben des Vermögens nachdrücklich wurden, wich sie aus: sie habe keine Zeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen, doch werde ihr Bruder John sich des Problems annehmen.

Der lehnte die Rückgabe ab und schaltete einen amerikanischen Anwalt ein. Wie die "Passauer Neue Presse" zitiert, schrieb dieser an den mit der Interessenwahrnehmung der Familie Nebrich beauftragten Sohn einer der Schwestern: "Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß irgendein Kunstwerk unrechtmäßig in den Besitz des früheren Botschafters Korbel gelangt ist." Und weiter: "Ihr (Nebrichts) Eigentum fiel unter die sogenannten Benes-Dekrete, welche die Enteignung von deutschem Eigentum vorsahen." Damit beruft sich der Anwalt der amerikanischen Außenministerin auf Gesetze, die von Anfang an völkerrechtswidrig waren.

Beantwortet ist inzwischen auch die Frage, ob die Familie Albright noch die von den Tschechen geraubten Gemälde besitzt. Wie die "Passauer Neue Presse" erfuhr, bestätigt der US-Journalist Michael Dobbs, der an einer Biographie Madeleine Albrights arbeitet, zwei der Bilder im Haus der Außenministerin gesehen zu haben. Ihr Bruder John Korbel mußte zugeben, sechs weitere Bilder aus dem Besitz der Familie Nebrichs zu haben.

Die rechtmäßigen Erben wollen nicht aufgeben. Trotz Warnungen des Albright-Anwaltes Jaffe wollen sie die Familien Albright und Korbel verklagen. Sie haben gute Argumente. Immerhin hat im vorigen Jahr das US-Repräsentantenhaus in einer Resolution alle ehemaligen kommunistischen Staaten aufgefordert, Enteignungen rückgängig zu machen und die entsprechenden Gesetze, also auch die Benes-Dekrete, auf die sich Madeleine Albright beruft, aufzuheben.

Und noch ein Argument dürfte politisch brisant sein: Jüdische ehemalige Verfolgte haben es in der jüngsten Vergangenheit erreicht, daß Kunstwerke, die im Zweiten Weltkrieg aufgrund damals geltender Vorschriften den jüdischen Besitzern weggenommen wurden, in großzügiger Weise zurückgegeben werden. Gerade Österreich hat in diesen Tagen den Rothschilds auch solche Gemälde zurückerstattet, die nach rechtsgültigen österreichischen Gesetzen österreichischen Museen gewidmet waren.

Der amerikanische Anwalt der Außenministerin ist empört über die Andeutung, der Nebrich-Familie bleibe angesichts der halsstarrigen Haltung von Madeleine Albright nichts anderes übrig, als sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Er wertet das als "Erpressungsversuch". Die Nebrich-Familie bleibt aber hart, und man kann ihr nur wünschen, daß sie standhaft auf ihrem Recht beharrt.

 
     
     
 
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