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Ein nationales Projekt

 
     
 
In der Hauptstadt der Deutschen wurde in diesen Tagen, begünstigt durch den Neuwahlkampf, eine der geschichtsbeladensten Planungsblockaden der letzten anderthalb Jahrzehnte zumindest auf dem Reißbrett beseitigt - und das wohl ehrgeizigste Bauvorhaben der Kulturnation Deutschland angeschoben: der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, einst einer der Vorzeigebauten Preußens in seiner Blütezeit.

Damit zeichnet sich ab, daß eine der schmerzlichsten offenen Wunden im Herzen und in der Mitte Ur-Berlins in einem jetzt überschaubaren zeitlichen Rahmen geschlossen werden könnte und Berlin als Architekt
ur- und Kulturmetropole wieder in die Phalanx der Weltstädte zurückkehren dürfte.

Zwei Sozialdemokraten und eine Parteilose präsentierten in der letzten Woche eine neue "Machbarkeitsstudie" zum Schloß - die erste mit besten Chancen, nicht mehr zwischen Parteiengezänk und provinziellem Kleinmut zerrieben, sondern nach dem Willen aller Beteiligten zügig ihrer Realisierung zugeführt zu werden: Manfred Stolpe, Bundesminister für Bau und Verkehr, Christina Weiss, Staatsministerin für Kultur, und Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident.

Dem nach Lage der Dinge in wenigen Wochen aus dem Amt scheidenden Stolpe - als Konsistorialpräsident der DDR-Kirche mit nie restlos geklärten Verbindungen zum Staatsapparat beladen und nach Erlangen der Einheit als Ministerpräsident Brandenburgs für manche Ostdeutsche ebenso umstrittene wie streitbare Symbolfigur des Übergangs von Unfreiheit in Freiheit - blieb es als oberstem Bauplaner der Republik jetzt vorbehalten, mit seinen vermutlich letzten politischen Worten seine zugleich bedeutsamsten auszusprechen: "Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses soll ein nationales Projekt der Versöhnung werden, ein Identität stiftender föderaler Ort. Wir sind gefordert."

Die neue Studie wurde von den Berliner Architekturbüros Stuhlemmer und Hemprich-Tophof erstellt, unterstützt vom Schloßverein um den norddeutschen Kaufmann Wilhelm von Boddien, seit der Wende engagiertester Verfechter des Wiederaufbaus. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat das Nutzungskonzept entworfen, in dessen Zentrum das sogenannte "Humboldt-Forum" steht: Es soll die wissenschaftlichen Sammlungen der Berliner Humboldt-Universität, eine Zentral- und Landesbibliothek und die außereuropäischen ethnologischen Sammlungen der Staatlichen Museen Berlins (bisher in Dahlem untergebracht) als Kontrapunkt zu Antike und Abendland der Museumsinsel vereinen. Mit dem Gesamtkonzept wird nun endlich ein Beschluß des Bundestages aus dem Jahr 2002 vorangetrieben. Der avisierte Baubeginn ist 2008. Die Kosten des Schloßprojektes werden auf 670 Millionen Euro taxiert, die binnen 30 Jahren mit jährlich rund 30 Millionen Euro aus öffentlichen Haushalten finanziert werden sollen. Erwartete Mehrkosten von geschätzten 80 Millionen Euro für die Schloßfassade sollen aus Spendenmitteln generiert werden.

Nachdem es in der Vergangenheit noch keine bindenden staatlichen Zusagen für das Projekt gegeben hatte, appellierte Kulturstaatsministerin Weiss jetzt an den neuen Bundestag, der am 18. September gewählt wird, alle Blockaden aufzuheben. In Kreisen der Unionsbundestagsfraktion um den Berliner Günter Nooke werden bereits Forderungen laut, den Schloß-Wiederaufbau im Regierungsprogramm Angela Merkels zu verankern.
 
     
     
 
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