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Kein Glück ohne Freiheit (Point de bonheur sans liberté) war der Wappenspruch der Familie Schopenhauer. Von Arthur, dem großen Philosophen, wurde er zum Lebensprinzip erhoben. Galt er aber auch für Adele, die Schwester, die stets im Schatten des großen Bruders stand? Deren Lebensbild neben der glanzvollen Karriere verblaßt, die ihre Mutter nach dem (Frei)tod des Vaters als Schriftstellerin machte. Adele Schopenhauer, deren "auffallende Unschönheit" Fanny Lewald, der Schriftstellerin aus Königsberg, auffiel, die aber auch ihre Klugheit und Freundlichkeit rühmte: "Sie war eine Frau von Geist ..." Adele Schopenhauer, die zum Ende ihres kurzen Lebens - sie wurde nur 52 Jahre alt - betonte: "Ich habe sehr gelitten in meinem Leben, weil ich, unter sehr geistreichen Menschen erwachsen, gewohnt war, meine Gedanken klar und ganz offen auszusprechen, wenn sie Kunst oder Literat ur betrafen; nie habe ich den Fehler gehabt auf mein kleines, unausgebildetes Talent eitel zu sein, ..."
Wer war diese Frau, deren Name meist nur in Zusammenhang mit Mutter und Bruder erwähnt wird? Gabriele Büch gibt mit ihrem Buch Alles Leben ist Traum (Aufbau-Verlag, Berlin. 418 Seiten, 22 sw Abb., brosch., 10 E) eine Antwort auf diese Frage und zeichnet ein facettenreiches Bild dieser Frau, die Goethe große Zuneigung entgegenbrachte und ihn als Vaterersatz sah, die befreundet war mit Ottilie v. Goethe, der Schwiegertochter des Dichterfürsten, sich austauschte mit Anette v. Droste-Hülshoff und die andere große Geister ihrer Zeit zu ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zählte. "Klassik und Romantik formten Adeles Lebensstil", so Gabriele Büch. "Klarheit wechselte mit Verschwommenheit, Kühle mit Gefühlsüberschwang, Ausdrucksstrenge mit dem Sezieren geheimster Seelenregungen. Geist, mit Witz gepaart, und Herzenswärme, ebenso ein Hang zur Pedanterie prägten die Grundlinien ihres Wesens. Auch gefiel sie sich in der Rolle einer liebes- und welterfahrenen Frau, eine Art Selbstschutz, hinter der sich Ermüdung und Desillusionierung verbergen ließen."
Adele Schopenhauer, geboren 1797 in Hamburg und aus Danziger Familie stammend, lebte später in Weimar, Bonn und Jena; viel reiste sie nach Italien. Sie interessierte sich für Kunst, für das Theater, wo sie selbst erfolgreich in Liebhaberaufführungen auftrat, malte, zeichnete und begeisterte mit ihren Schattenrissen. Als Schriftstellerin aber trat sie erst spät an die Öffentlichkeit. Noch heute steht sie im Schatten der Mutter Johanna, die mit ihren Reisebeschreibungen ein großes Publikum fand. Adeles "Haus-, Wald- und Feldmärchen" erschienen 1844, ihr Roman "Anna" ein Jahr später. Tagebücher, Gedichte, Operntexte und Erzählungen, Schauspiele und Märchen entstanden zwar, wurden jedoch entweder unter Pseudonym veröffentlicht oder an Freunde verschenkt. Als der Roman "Anna" erscheint und nicht den großen erhofften Erfolg erzielt, erkennt Adele: "Erst mein drittes oder viertes Buch wird gut, ich weiß das. Alles habe ich langsam gelernt - dann konnte ich es mit vollster Sicherheit." Doch dazu soll es nicht mehr kommen. Adele Schopenhauer stirbt 1849 an Krebs, einem Leiden, das sie bereits lange quälte und gegen das sie sich lange Jahre erfolgreich wehrte. Freundin Ottilie klagte nach ihrem Tod: "Wie Schlemihl seinen Schatten verloren hatte, so ist mir seit Adelens Tod immer als hätte ich keine Vergangenheit mehr. Ich komme mir seitdem so unvollkommen vor ..." Bruder Arthur allerdings betrauert den Tod seines Pudels Atma mehr als den Verlust der Schwester! Os
Geistvolle Frau: Adele Schopenhauer wird von vielen Zeitgenossen geschätzt, während andere ihre mangelnde Grazie kritisieren (Zeichnung von Alexander von Sternberg, 1841) aus dem besprochenen Ban |
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