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Wer neue Verbündete braucht, muß zu Gefälligkeiten bereit sein. Aber während für „Nord-Allianz“ und zentralasiatische Bananenrepubliken Almosen und Bakschisch genügen, ist das für Inder und Pakistanis zu wenig, und so erklären sich die Meldungen über „Aufhebung“ eines Embargos. Embargo? Ach richtig, da gab’s doch was, mit Atombombe n oder so: Denn die konzessionierten Atommächte - zufälligerweise die fünf Siegermächte und ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates - wachen eifersüchtig darüber, daß nicht auch andere wagen, zu Nachahmungstätern zu werden. Doch man untersteht sich trotzdem. Indien und Pakistan wagten es sogar, ihre Basteleien durch Test-Explosionen unter Beweis zu stellen, und da beide viel zu groß sind für „Militärschläge“, mußte ein Embargo herhalten! Das änderte zwar nichts am Geschehenen und schon gar nichts an der Ursache des Konflikts, der diese beiden Armenhäuser zum Rüstungswettlauf treibt, aber Strafe muß sein. - Manche fragen sich, warum die Atommacht Israel, deren Trägersysteme bis Mitteleuropa reichen, von keinem US-Embargo betroffen ist. Nun, man braucht nicht alles zu wissen, und als Eselsbrücke möge genügen, daß Israel keine Atomtests durchführt. Man läßt testen.
Ein Schurke hingegen ist, wer weder zu den Auserwählten gehört noch als Handlanger gebraucht wird, aber trotzdem Massenvernichtungswaffen baut. Oder vielleicht gerne bauen würde - Beweise sind überflüsssig. Günstigstenfalls wird man dann mit einer Liefersperre für militärische und meist auch für überlebenswichtige zivile Güter belegt. Ungünstigstenfalls wird das Land zum Testgelände für neue Waffensysteme oder dient zur Entsorgung von ablaufbedrohten Munitionsbeständen. Kommt billiger als Entsorgung daheim. Der Autor dieser Zeilen war zur Zeit des Kalten Krieges bei einem großen Computer-Hersteller für die Einhaltung des Embargos der NATO gegen den Ostblock verantwortlich. Es ging darum, die Bestimmungen so zu handhaben und zugleich so auf die Politik einzuwirken, daß einerseits Exporte möglich waren und daß andererseits der Konzern nicht in krumme Geschäfte verwickelt wurde. Eine Gratwanderung. Dabei gab es im Laufe der Jahre auch Gelegenheit zum persönlichen Kennenlernen von Entscheidungsträgern hüben und drüben - sowie von zwielichtigen Gestalten, die von der Verletzung des Embargos profitierten. Interessant war, daß in allen drei Personenkreisen bestimmte Typen überdurchschnittlich vertreten waren - man mußte nur ein wenig an den anglisierten oder slawisierten Namen kratzen. Alle wußten natürlich, daß der aufwendige Kontrollapparat im Westen sowie die Profite der Zwischenträger in den Preisen einkalkuliert waren. Und alle wußten, daß trotz des Embargos das Verbotene seinen Weg zum Abnehmer fand. Die amerikanische Embargo-Freudigkeit hat einen durchaus rationalen Aufhänger, der da lautet: „Don’t sell guns to the Indians!“ Die von skrupellosen Händlern an Indianer verkauften Büchsen waren in der Tat beim Ausrotten der Eingeborenen recht hinderlich. Daß dieses Wildwest-Trauma in heutigen Strategien fortwirkt, ist allerdings weniger rational. Denn wie gesagt: Wo ein Wille ist (und das nötige Budget), da ist immer auch ein Weg, und Not macht außerdem erfinderisch. Die Zeche - ob für Schmuggelware oder für sündteure Eigenentwicklungen - zahlt jeweils das Fußvolk. Seit dem zweiten Golfkrieg gilt ein Embargo gegen den Irak, das man pro forma sogar durch die UNO verhängen ließ. (Bei Sanktionen nach einem Überfall kommt es immer drauf an, wer wen überfallen hat.) Viele Iraker, vor allem Kinder, sind inzwischen verhungert oder bleiben für ihr Leben gezeichnet. Saddam Hussein aber, der - wie Osama bin Laden - vom nützlichen Verbündeten zum „Bösen" schlechthin wurde, sitzt fester im Sattel denn je, ist er doch die beste Garantie dafür, daß die Petro-Dollars der umliegenden Scheichtümer in die Waffenindustrie zurückfließen. Daß das Irak-Em- bargo auch schwere wirtschaftliche Schäden in Ost-Anatolien verursachte, trug nebenher zur Eskalation der Kurden-Krise bei - und zur Auswanderung nach Westeuropa. (Aber die „Flugverbotszone“ im Irak ist - entgegen landläufiger Meinung - ein anglo-amerikanischer Alleingang, keine UNO-Maßnahme.) Auch gegen Kuba existiert ein US-Embargo. Seit vierzig Jahren trifft es die Kubaner - und nützt Fidel Castro. Nur an dem zu Beginn des Balkankonflikts verhängten UNO-Waffenembargo waren die USA unschuldig. Dieses trug vielmehr die Handschrift der Entente, die unbedingt ihre „Friedensordnung“ von 1918/19 auf- rechterhalten wollte: Es traf nämlich nicht die ohnedies waffenstarrende Armee des Milosevic-Regimes, sondern ausschließlich jene, die in zwei Weltkriegen auf der falschen Seite standen. Und wo wird das nächste Embargo zuschlagen und Unschuldige treffen? Prof. Dr. Küssner
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