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Es gehört zu den Binsenweisheiten, daß wissenschaftliche Erkennntnisse fortwährend neue Wertungen und Sichtungen erfahren. Auch geschichtliche Erkenntnisse zählen hierzu, selbst wenn der "Revisionismus", allerdings nur in Mitteleuropa, die denkbar größte Gegnerschaft der reaktionärsten Dogmatiker findet. Als wir im Frühjahr 1997 (OB 12/97) erstmals Stalins sogenannten "Fackelmänner-Befehl" veröffentlichten, konnten wir uns nur auf den Fund des im Washingtoner National archiv (unter der Archiv Serie 429, Rolle 461, Generalstab des Heeres, Abtlg. Fremde Heere Ost II H 3/70 Fr 6439568) aufbewahrten Dokuments stützen.
Inzwischen aber entschloß sich der Russische Sicherhheitsdienst FSB offiziell dazu, den Befehl Stalins Nr. 0428 vom 17. November 1941 zu veröffentlichen. Der populär als "Fackelmänner-Befehl" bekanntgewordene Erlaß Stalins sah vor, daß sowjetische "Jagdkommandos" 40 bis 60 Kilometer tief in das von der Wehrmacht bereits besetzte Gebiet der damaligen Sowjetunion einzudringen hatten, um es "zu zerstören und in Brand zu setzen".
Dabei sollten "die Jagdkommandos überwiegend aus Beutebeständen in Uniformen des deutschen Heereres und der Wassen-SS eingekleidet" werden, um die von Stalin anbefohlenen "Vernichtungsaktionen ausführen" zu können. Dies, so die Ausführungen des Befehls, "schürt den Haß auf die faschistischen Besatzer und erleichtert die Anwerbung von Partisanen im Hinterland der Faschisten. Es ist darauf zu achten, daß Überlebende zurückbleiben, die über die ,deutschen Greueltaten berichten können".
Der Befehl führt weiter aus, daß zu diesem Zweck in jedem Regiment "Jagdkommandos in Stärke von 20 bis 30 Mann mit der Aufgabe" zu bilden seien, "Sprengungen und Inbrandsetzungen der Siedlungspunkte durchzuführen. Es müssen mutige Kämpfer für diese kühnen Aktionen der Vernichtung von Siedlungspunkten ausgewählt werden. Besonders jene, die hinter den deutschen Linien in gegnerischen Uniformen Siedlungspunkte vernichteten, sind zu Ordensverleihungen vorzuschlagen".
Es wird damit offenkundig, daß Stalin mit diesem Befehl die Grundlage und Praxis der "Taktik der verbrannten Erde" schuf, die aus naheliegenden Gründen immer wieder der deutschen Seite unterstellt wurde. Es ist auch naheliegend, daß dieses verbrecherische Freischärlertum außerhalb der 1907 verabschiedeten Haager Landkriegsordnung lag und deswegen auch von deutscher Seite mit Nachdruck berkämpft werden konnte. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (6/2000) führt am Beispiel der auch in der DDR bei den "Jungen Pionieren" zwangsweise zu höheren Ehren gekommenen Partisanin Soja Kosmodemjanskaja aus, daß sie mit anderen Freischärlern das bei Moskau gelegene Dorf Petrischtschewo auf der Grundlage dieses Befehls in Brand steckte. Die Partisanin wurde schließlich durch sowjetischen Verrat an die Wehrmacht ausgeliefert und gehängt und später von der Sowjet-Propaganda zu einer "Heldin des großen Vaterländischen Krieges" stilisiert.
Dieser nunmehr von Moskau selbst bestätigte Befehl zwingt die mit dem deutsch-sowjetischen Krieg befaßte Historikerschaft dazu, umgehend den Verlauf von kriegsrechtswidrigen Kampfhandlungen immer auch unter dem Gesichtspunkt Stalinscher Eingriffe im Sinne des "Fackelmäner-Befehls" zu beleuchten.
Selbstverständlich gehört auch hierzu, daß die aus Gründen unwahrer Behauptungen und falscher Bilder geplatzte Propaganda-Schau des Tabak-Millionärs Reemtsma diese Tatsachen zu berücksichtigen hat. Wie verlautet, dauert die wissenschaftliche Überprüfung der Antiwehrmachtsausstellung ohenhin länger als die ursprünglich geplanten drei Monate. Ein erstes Zeichen bemühter Redlichkeit? Müller
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