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Zwischen Schrott und Schimmel

 
     
 
Die Belastung unserer Soldaten vor allen Dingen durch Einsätze in allen möglichen Winkeln der Erde wächst, ohne daß ihnen die notwendigen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt werden. Dadurch leidet spürbar die "Motivierungs- und Stimmungslage in der Truppe", wie der Wehrbeauftragte des Bundestages, Wilfried Penner, sich in seinem soeben vorgelegten Jahresbericht 2003 ausdrückt. Folge der zahlreicher werdenden Auslandseinsätze
ist die Verschiebung der genuinen Aufgabe der Bundeswehr. War sie ursprünglich allein zur Landesverteidigung gedacht, wird sie immer mehr zu einem Expeditionskorps nach der Devise des Verteidigungsministers Struck, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt.

Die Deformierung der deutschen Streitkräfte bringt eine Kette von schwerwiegenden Problemen mit sich, Problemen sowohl für die Soldaten als auch für das ganze deutsche Volk, wenn sich dieses Volk, inzwischen mutiert zur Bevölkerung, noch mit seinen Soldaten identifiziert.

Weil Deutschland seinen Soldaten die notwendigen Mittel für eine ausreichende Ausstattung vorenthält, wird eine Reform an die andere gehängt. Durch Reduzierung von Personal- und allen möglichen anderen Kosten (Beispiel: Privatisierung des Fuhrparks, der Bekleidung, der Verpflegung), durch Standortschließungen, durch Verkleinerung oder gar Abschaffung von Waffensystemen will man die Streitkräfte in die Lage versetzen, den Forderungen der Nato oder der USA nachzukommen.

Das neue Ziel, die Bundeswehr, die vor zehn Jahren noch fast 400.000 Soldaten umfaßte, auf 250.000 zu verkleinern, hat fatale Folgen. Die Soldaten und ihre Familien leben in ständiger Unsicherheit, wie es mit ihnen weitergehen soll. Da werden fortgesetzt Standorte geschlossen, Truppen neu formiert, was heute gilt, wird morgen umgestoßen. Die Bundeswehr soll sich gliedern in 35.000 Soldaten für die Einsatzkräfte, 70.000 für die Stabilisierungskräfte, 145.000 für Unterstützungskräfte. Die Einsatzkräfte scheinen zufriedenstellend ausgerüstet zu sein. Die immer größer werdenden Mängel machen sich vor allem in der Ausbildung bemerkbar. Da berichtet der Wehrbeauftragte als Beispiel von einem Panzerbataillon, das offiziell über 44 Kampfpanzer verfügt, von denen aber nur sechs einsatzbereit sind. Ein Jägerbataillon hat gar nur einen (!) einsatzfähigen Transportpanzer für Ausbildungszwecke. Aus einem Fernmeldebataillon wird berichtet, daß, obgleich Soldaten aus dieser Einheit für Auslandseinsätze vorgesehen sind, eine Kompanie über kein einziges Gewehr G 36 für die Ausbildung verfügt, und auch über keine Pistole P 1. Es stehen nur defekte G 3 bereit. Zum Teil fehlt den Einheiten sogar das Fernmeldegerät (und das in einem Fernmeldebataillon!) - Lieferung Ende 2004, in einigen Fällen erst 2006.

Zu den "Auslandseinsätzen" gehörte im vergangenen Jahr die der Bundeswehr übertragene Aufgabe, amerikanische Kasernen und andere militärische Einrichtungen in Deutschland zu bewachen, damit die US-Soldaten im Irak Krieg führen konnten. Das führte zu einer zunehmenden Verunsicherung, war doch damit die Bundeswehr mittelbar beteiligt an einem Angriffskrieg. So berichtet Penner, daß wegen der dubiosen Rechtslage im Politikunterricht Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes geäußert wurden. Angesichts der strengen Maßstäbe, die an Ereignisse der Vergangenheit angelegt werden, verblüfft es, mit welchen Winkelzügen sich die Bundesregierung solchen prekären Fragen entzieht. Sie beruft sich lediglich auf Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes ("Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen ...").

Überall fehlt Geld zur notwendigen Sanierung maroder Kasernen. Die Möbel sind Schrott, Räume sind von Schimmel und Pilzen befallen, die hygienischen Mängel in zahlreichen Truppenküchen sind eklatant. Penner berichtet von Durchfall- und Bindehauterkrankungen Tausender von Soldaten in den letzten Wochen und spricht von "dringendem Handlungsbedarf". Doch steht das Geld dafür nicht zur Verfügung. Als Folge der Mißstände muß die Bundeswehr feststellen, daß immer mehr Unteroffiziere und Offiziere davon absehen, Berufssoldat zu werden. Sie winken ab, wenn sie erst einmal den Alltag der Truppe erlebt haben.

Auch die Affäre Hohmann (beziehungsweise des vom Verteidigungsminister unter schimpflichen Umständen seines Amtes enthobenen Kommandeurs des Kommandos Spezialstreitkräfte, Brigadegeneral Reinhard Günzel) findet ihren Niederschlag im Bericht. Die Verabschiedung Günzels, so Penner, werde in der Bundeswehr "überwiegend für richtig gehalten", wobei man bedenken muß, wie schädlich es für Soldaten wäre, sich öffentlich anders zu äußern. Allerdings liest man auch: "Nähere Umstände dieser ministeriellen Maßnahme wurden zum Teil heftig kritisiert. Die Kritik bezog sich auf das Fehlen einer persönlichen Anhörung wie auch die öffentliche Verwendung des Wortes ,verwirrter General durch den Minister."

Weitere Kritikpunkte sind unverändert die Besoldung von Soldaten aus der alten DDR, die nur 91 Prozent des Soldes der "Wessis" erhalten, sowie die 1.399 Fälle von Drogenmißbrauch. Ihnen wurde ebenso- viel Platz eingeräumt wie dem Horror-Thema "Rechtsextremismus". So mußte der Wehrbeauftragte Kenntnis nehmen von 139 "besonderen Vorkommnissen mit Verdacht auf rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund", was bedeutet, daß 0,05 Prozent der Bundeswehrangehörigen sich dieses schrecklichen Deliktes schuldig gemacht haben. Da liest man etwa: "Während eines Aufenthaltes in Spanien sang er (ein Maat) die ersten beiden Strophen des Deutschlandliedes und sprach vom ,Führer ". Oder von einem Oberfeldwebel, der "einen Hauptgefreiten als ‚Neger bezeichnet" habe. Der Mann hat übrigens zugeben müssen, daß er "vermummt an einer NPD-Veranstaltung teilgenommen hat". Muß man sich etwa vermummen, wenn man in der Bundesrepublik an der Veranstaltung einer unliebsamen, aber keineswegs verbotenen Partei teilnehmen will?

Von derartigen Albernheiten abgesehen, ist ein solcher Bericht wichtig. Wenn man einen Schluß ziehen soll, dann den, daß unser Staat mit seinen Soldaten verantwortungslos umgeht.

Kritisch: Der Wehrbeauftragte W. Penner hat schlechte Nachrichten.
 
     
     
 
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