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Das Klima ist rauh geworden. Dies fällt um so mehr auf, als die EU-Ratspräsidentschaft nur noch wenig Interesse findet oder eher als Wahlwerbung für Bundeskanzler Schüssel gesehen wird. Das Verhalten der Parteien ist derzeit so aggressiv, daß man sich kaum vorstellen kann, wie nach den Wahlen im Herbst eine funktionsfähige Regierungs-Koalition zustande kommen soll.
Am einfachsten hat es die FPÖ, die nach Umfragen bei zehn Prozent oder darüber liegt: Partei-Chef Heinz-Christian Strache erklärte dezidiert, daß seine Partei in der Opposition bleiben werde. Eine leichte Entscheidung, denn die FPÖ wird von der SPÖ heute mindestens so stark abgelehnt wie zu Zeiten des großen Aufstiegs unter Jörg Haider. Und auch in der ÖVP, die Haiders jetzige Partei BZÖ (noch) als Koalitionspartner hat, ist ein Zusammengehen mit der FPÖ wenig populär.
Illustriert wird dies unter anderem dadurch, daß Schüssel der freiheitlichen Partei-Akademie die staatlichen Unterstützungsgelder strich. Die FPÖ hat zwar gute Chancen, die Gelder auf dem Gerichtsweg zugesprochen zu erhalten. Aber dies erst nach den Wahlen - was den Wahlkampf der FPÖ behindert und offensichtlich Zweck der Übung war. Schüssel begründet den Entzug der Gelder damit, daß sich von den ursprünglich 18 Abgeordneten heute nur noch zwei zur FPÖ bekennen. (Der Freiheitliche Parlamentsklub ist seit der Parteispaltung ein Kuriosum bestehend aus FPÖ-, BZÖ- und parteifreien Abgeordneten. Jüngst wurde er umbenannt in "Freiheitlicher Klub - BZÖ". Zugleich mußten die FPÖ-Abgeordneten ihre Schreibtisch e im Parlament räumen und in ein Nebengebäude umziehen.)
Eine Fortsetzung der ÖVP-BZÖ-Koalition nach den Wahlen ist undenkbar, denn selbst wenn das BZÖ ein Grundmandat in Kärnten erzielen sollte, kann die ÖVP keinesfalls so viel zulegen, daß es für eine Mehrheit reicht. Das BZÖ hat noch nicht einmal einen Spitzenkandidaten nominiert - verständlich, denn wer will den Kopf für ein Debakel hinhalten. Daß haidernahe frühere FPÖ-Funktionäre und Minister mit Versorgungsposten im staats- oder ÖVP-nahen Bereich bedacht wurden, paßt da ins Bild - und es beliefert die Opposition mit Wahlkampfmunition, denn keine dieser Aktionen wäre ohne Schüssels Einverständnis denkbar.
Aufreger Nummer Eins ist aber die Gewerkschaftsbank "Bawag". Zum Milliardenverlust aus Spekulationsgeschäften kommt als jüngste Schreckensmeldung, daß der Österreichische Gewerkschaft (ÖGB) über Stiftungen in Liechtenstein einen größeren Anteil an der bankrotten US-Maklerfirma "Refco" gehalten haben könnte. Das bedeutet, daß ÖGB und "Bawag" nicht bloß als "Refco"-Massegläubiger Millionenbeträge abschreiben müssen, sondern für die US-Behörden als "Refco"-Miteigentümer gelten und mit einer Sammelklage der "Refco"-Gläubiger über 1,3 Milliarden Dollar bedroht sind! Günstigstenfalls läßt sich dies durch einen Vergleich regeln. Dies würde aber ebenfalls horrende Summen verschlingen. Die "Bawag" hatte zuletzt einen massiven Abfluß von Spareinlagen zu verzeichnen. Die Nationalbank und die anderen Großbanken sicherten aber der "Bawag" volle Unterstützung zu. Logisch, denn eine Zahlungsunfähigkeit der viertgrößten Bank des Landes würde den Finanzplatz Wien schwer treffen.
Der neue ÖGB-Chef Hundstorfer schloß im ORF-Interview nicht mehr aus, daß die "Bawag" zur Gänze verkauft wird - auch an ausländische Interessenten - und daß der ÖGB mit Schadenersatzklagen gegen die frühere ÖGB- und "Bawag"-Spitze vorgehen wird. Sogar von einer Neugründung des ÖGB war die Rede.
Die politische und finanzielle Krise des ÖGB birgt Gefahren für die Allgemeinheit: Heißspornige ÖGB-Funktionäre könnten eine "jetzt erst recht"-Haltung einnehmen, und Arbeitgeber könnten die ÖGB-Schwäche über Gebühr ausnützen, was beides dem sozialen Frieden abträglich wäre. Die Schwächung des ÖGB-Flügels in der SPÖ macht Rot-Grün wahrscheinlicher, falls sich dafür eine Mehrheit finden sollte. Und so naheliegend das parteipolitische Ausschlachten des ÖGB-"Bawag"-Skandals auch ist, es kann den Schaden für die Bank und damit für das ganze Land weiter vergrößern. Daß Schüssel in einer Parteiveranstaltung davon sprach, der "Bawag" stehe das Wasser so hoch wie das Hochwasser 2002, war eine unwürdige Entgleisung.
Wenngleich die SPÖ wegen der "Bawag"-Affäre ihren knappen Vorsprung vor der ÖVP eingebüßt hat, dürfen die Auswirkungen auf das Wählerverhalten nicht überschätzt werden. Bei den Personalvertretungswahlen der Stadt Salzburg etwa konnte die SPÖ-Fraktion sogar zulegen. Die FPÖ, die einem "Bawag"-Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt ablehnend gegenübersteht, hat jedenfalls gute Chancen, der SPÖ weitere Wähler abzunehmen - und damit letztlich Schüssel zum Kanzler einer ÖVP-SPÖ-Koalition zu machen. |
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