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Vor einer Woche hat das Berliner Abgeordnetenhaus den Doppelhaushalt für die Jahre 2004/2005 beschlossen. Die gute Nachricht: Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat die Stadt mit eiserner Hand auf den Tugendpfad der Haushaltskonsolidierung gezwungen. Die schlechte Nachricht: Seine Politik gleicht immer mehr dem Versuch, ein Großfeuer mit Benzin zu löschen. Die Gefahr besteht, daß außer verbrannter Erde nichts zurückbleibt. Die noch schlechtere Nachricht: Niemand kennt eine Alternative zu diesem Kurs.
Die Ausgaben 2004 betragen 22,4 Milliarden Euro, die geschätzten Einnahmen nur 17 Milliarden. Der größte Einnahmeposten sind die Steuern mit acht Milliarden, der zweitgrößte die Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich mit 5,4 Milliarden Euro. Berlin kann also nur 36 Prozent des Haushalts durch eigene Steuerkraft abdecken. Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben von 5,4 Milliarden Euro - fast ein Viertel des Haushaltsvolumens - muß durch neue Schulden geschlossen werden. Der Betrag liegt weit über dem der Neuinvestitionen, für die nur zwei Milliarden Euro vorgesehen sind. Damit ist der Haushalt klar verfassungswidrig, aber was bleibt dem Senat übrig? Weil weder zusätzliche Einnahmen noch höhere Zuschüsse in Sicht sind, könnten höchstens die Ausgaben dramatisch gesenkt werden. Weitere Einschnitte in den Bereichen Soziales, Wissenschaft und Kultur wären die Folge.
Dabei sind die Streichungen schon jetzt für viele schmerzhaft. Besonders übel stößt auf, daß das Blindengeld um 20 Prozent gesenkt wird. Außerdem werden die Berliner Symphoniker abgewickelt, ein Orchester, das sich vor allem durch seine Basisarbeit an Schulen verdient gemacht und Bevölkerungsgruppen erreicht hat, die sonst eine unüberwindbare Schwellenangst vor Konzertsälen haben. Die 80.000 Unterschriften, die innerhalb kurzer Zeit gegen die Abwicklung gesammelt worden sind, wurden vom Tisch gewischt. Die eingesparten 3,3 Millionen Euro sind wegen fälliger Arbeitslosengelder sowie fehlender Lohnsteuern, Sozialabgaben und Saalmieten eine reine Luftbuchung, und sie machen nur die Hälfte der Zinszahlungen eines einzigen Tages aus. Noch bitterer wirkt dieser Kahlschlag, wenn man die 300 Millionen Euro dagegenstellt, welche an die in den Fast-Bankrott gewirtschaftete Berliner Bankgesellschaft überwiesen werden müssen.
Die Zinslast, die in diesem Jahr rund 2,4 Milliarden Euro beträgt, droht die Stadt gänzlich zu erdrosseln. Falls die anhängige Klage vor dem Verfassungsgericht auf Bundeshilfe erfolgreich ist und, wie die günstigste Modellrechnung lautet, der Bund im Jahr 2006 auf einen Schlag 35 Milliarden Euro der dann rund 60 Milliarden Altschulden übernimmt, könnte die Zinszahlung von 2,8 auf 1,3 Milliarden Euro sinken. Darauf setzt der Finanzsenator. Seine Argumentation lautet, daß Karlsruhe nur dann die Bundesregierung zur Hilfe verpflichten wird, wenn das Land Berlin eigene dramatische Konsolidierungsanstrengungen nachweist.
Der Sprecher der Grünen im Landesparlament sprach vom "Sarrazynismus". Das war lustig und nicht einmal ganz falsch, andererseits ist Sarrazin das einzige Senatsmitglied, bei dem Kompetenz und eine Strategie erkennbar sind. Der 32jährige CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer wirkte in der Debatte dagegen wie ein Milchgesicht, das irrtümlich in einen Boss-Anzug gesteckt wurde.
Zimmer hatte sich beim Verfassen seiner Rede offenbar auf lautstarke Zwischenrufe aus den Regierungsfraktionen eingestellt, die seine Kritik am Senat bestätigen würden. Tatsächlich hatte dann allerdings niemand etwas dazwischengerufen! Das bekam der Unionsmann aber gar nicht mit und parierte so mehrfach Protestgeschrei, das es gar nicht gab. Zimmer hatte bei der Abfassung seines Redemanuskripts nur geträumt, er würde als Oppositionsführer endlich einmal ernst genommen werden. Die Farce wirft ein Schlaglicht auf die Berliner Politik, die im Angesicht des Finanzdesasters nichts anderes mehr ist als ein Schattenboxen.
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