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Hoch ist es hergegangen beim SPD-Gewerkschaftsrat am Dienstag. Kanzler Schröder hat Sommer und Genossen laut bepöbelt. Von "deutlicher Aussprache" und "intensivem Dialog" ist die Rede. Klingt verdammt nach blauen Augen. Am Ende wurde es dennoch ganz still, man sei sich zwar nicht einig geworden, verkünden beide Seiten, darin aber stimme man überein. Das hören wir gern. Weniger gefreut hat uns das Resümee von Ursula Engelen-Kefer: Ab jetzt würden SPD und Gewerkschaften wieder "gemeinsam um Lösungen ringen", sagte sie, woraufhin der Deutsche Aktienindex Dax umgehend unter die 4.000er-Marke stürzte.
Für Angela Merkel ist das alles wie ein gelebter Traum: Ohne, daß sie am Abzug fingern muß, zerfleischt sich die gegnerische Armee vor ihren Augen. Die Deutschen träumen mit ihr. Laut der jüngsten Emnid-Umfrage halten 71 Prozent die CDU-Chefin mittlerweile für "durchsetzungsstark". Wie zum Beweis, daß soviele Menschen nicht irren können, hat sie auch gleich etwas durchgesetzt. Merkel soll die Fäden gezogen haben bei der Auswahl des künftigen EU-Kommissionspräsidenten Barroso. Weil der ein Konservativer ist und Schröders und Chiracs Liebling, der Belgier Verhofstadt, ein Linker. Der Portugiese Barroso ist nicht bloß konservativ, er ist auch Patriot. Und er ist der erste Kommissionspräsident, der aus einem "Nehmerland" der EU kommt, einem Land also, daß mehr aus den Töpfen der EU erhält als es reinwirft. Als solcher will er laut EU-Kennern dafür sorgen, daß die Subventionstöpfe auch künftig prall gefüllt sind und sein Portugal nicht etwa weniger bekommt, nur weil jetzt zusätzlich Polen usw. die Hände aufhalten. Für den Hauptnettozahler Deutschland könnte sich damit Berechnungen zufolge der EU-Beitrag bis 2013 von derzeit 22 Milliarden auf 41 Milliarden Euro erhöhen. Bleiben Frau Merkels Emnid-Werte stabil, ist sie dann bestimmt Kanzlerin und wird uns erläutern, wie massiv der deutsche Steuerzahler von seinen verdoppelten EU-Beiträgen profitiert.
Zunächst profitiert natürlich nur Angela Merkel selbst, denn mit der Barroso-Geschichte hat sie dem düpierten Kanzler saftig eins ausgewischt. Den Sozis laufen unterdessen die letzten Freunde weg. Selbst die PDS hat in Brandenburg eine Koalition ausgeschlossen. Die aufgehübschten Kommunisten wollen schließlich nicht noch einen Untergang ausbaden, obschon sie der SPD wichtige Tips geben könnten, wie man wenigstens die prall gefüllte Parteikasse über den Machtverlust rettet. Statt dessen beklagt sich die umgetaufte SED darüber, zwischen ihr und der SPD sei eine "Vertrauenskrise" ausgebrochen. Schade, dabei war das Verhältnis beider Parteien einst wirklich innig - damals, in den 70er und 80er Jahren.
Die Lage der SPD ist dermaßen lausig, daß sich sogar Edmund Stoiber um ihr Schicksal sorgt. Der Niedergang der Sozialdemokraten sei schlecht für die Demokratie, meint der CSU-Chef. Stoiber läßt es nicht bei leeren Worten bewenden, sondern schmiedet Pläne, wie den gestrauchelten Schröder-Leuten geholfen werden kann. Die Lösung ist klar: Unionspolitiker müssen daran arbeiten, daß die Deutschen nicht ständig nur auf Rot-Grün schimpfen, sondern auch mal öfter auf CDU und CSU - und das am besten aus den selben Gründen.
Darum haben sich Hessens Koch und Bayerns Stoiber auf ein Thema gestürzt, das wie kaum eines für Aufwallung gesorgt hat in Deutschland: Sie sind jetzt auch für das Dosenpfand. Um es täuschend echt rot-grün aussehen zu lassen, haben sie überdies nicht etwa ein gemeinsames, sondern gleich zwei verschiedene Pfandsysteme vorgeschlagen. Koch will eine Abgabe (an die Länder, der Mann ist schließlich Ministerpräsident) einführen auf Bier-, Brause- und Mineralwasserflaschen, wenn nicht genug aus Mehrwegflaschen getrunken wird. Nicht schlecht, doch Stoibers Idee erscheint bei weitem ausgereifter: Er fordert nicht allein Pfand auf Einwegbehälter von Bier, Wasser und Erfrischungsgetränken, der Bayer will das ganze System nach fünf Jahren sogar erneut "überprüfen" lassen! Das ist wahrhaft nach Chaos-Kanzler-Art: Beachte bei jeder Reform, daß danach nicht etwa alles geklärt ist, sondern sorge dafür, daß die Debatte in absehbarer Zeit wieder losgeht, weil "nachgebessert" werden muß.
So wie bei Norbert Blüms Pflegeversicherung. 1995 eingeführt ist sie seit 1999 in den Miesen und wird 2006 pleite sein. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt-Praxisgebühr packt diese interessante Aussicht sofort beim Schopfe und bastelt, woran Sozialdemokraten am liebsten werkeln: an einer neuen Abgabe. Die Richter hatten bekanntlich entschieden, daß Eltern wegen ihrer Kinder gegenüber Kinderlosen bei den Pflegebeiträgen entlastet werden sollen. Sozialistisch gedeutet heißt das selbstverständlich, nicht die mit den Kindern werden ent-, sondern die ohne werden zusätzlich belastet. Frau Schmidt hat da bereits einige konkrete Ideen.
Die gehen auch Dosen-Trittin nicht so schnell aus, auch wenn er ziemlich genervt ist, weil sie ihn unentwegt als "konsumfeindlich" beschimpfen. Wie ungerecht das ist, zeigt ein Blick auf die Details. Nach der Dosenpfand-Verordnung des Umweltministers muß zwar auf Brauseflaschen Pfand entrichtet werden, auf Schnapspullen jedoch nicht. So hat jeder - vor allem die jungen, die weniger Geld haben - die Möglichkeit, dem Pfandgewurstel zu entgehen. Mit ein bißchen Alk im Blut sieht die Welt ja sowieso viel netter aus, vielleicht kann man sich sogar den Trittin sympathisch saufen, der Versuch wird per Pfandfreiheit subventioniert.
Nett aussehen ist wichtig. Nur weil er nicht nett war, ist Otto Rehagel nicht auf den deutschen Trainerstuhl gekommen. Er steht "mit den Medien auf Kriegsfuß", weshalb er für uns nicht tragbar war. Selbst vor dem jüngsten EM-Finale hat er hochkompetente Sportreporter mit Sätzen abgebürstet, die böse an Sprüche wie "der Ball ist rund" erinnern, statt geschmeidig zu plaudern. Auch predigt Rehagel einen Fußball, wie er uns Deutsche in aller Welt unbeliebt gemacht hat: Verteidigung dicht wie eine Panzersperre, Korpsgeist statt spielerischer Entfaltung und ähnliches. Erst jetzt, wo wir diesen unsympathischen Sonderweg verlassen haben, für den die Rehagels stehen, lächeln uns die Menschen in aller Welt an, manchmal sogar richtig laut.
Ulkus-Ausgründung
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