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Gedanken zur Zeit

 
     
 
Für Mahnmale im allgemeinen spricht, daß sie viele Architekten schon durch die Ausschreibung in Lohn und Brot setzen: Selbst die abgelehnten Entwürfe werden angemesse – also gut – honoriert, die preisgekrönten sogar außergewöhnlich gut bezahlt und das nach vielen Änderungen schließlich ausgewählte Architektenbüro, das de Zuschlag
erhält, hat erst einmal ausgesorgt.

Gegen Mahnmale spricht, daß die Täter sie nicht besuchen, sie den Opfern nicht nützen und nur den Initiatoren einen zeitweiligen Bekanntheitsgrad verschaffen.

Da die Auslober alle nichtjüdischen Opfer des Nationalsozialismus von ihrem Mahnma ausschlossen, fordern die anderen Opfer jetzt eigene Gedenkstätten.

Wenn möglich ebenfalls riesengroß und in der Nähe des Reichstages. Neben dem Mahnma für Sinti und Roma (6000 Quadratmeter im Tiergarten) hätten noch die Opfergruppen wi die Homosexuellen oder die Wehrmachtsdeserteure Anspruch auf eine eigene Gedenkstätte sagte der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Volker Beck. Im Oktober will e ein Stiftungskonzept vorlegen. Eine Gedenkstätte soll auch für den holländische Anarchisten und Reichstags-Brandstifter Marinus van der Lubbe am Reichstag (!) errichte werden, Mahnmale für Euthanasie-Opfer und – natürlich – ein eigenes Denkma für Frauen werden gefordert. Weitere Mahnmale sind denkbar. Der Phantasie und de großflächigen Bebauung sind keine Grenzen gesetzt.

Warum kein Mahnmal für die Zeugen Jehovas, die sogenannten Asozialen und – waru nicht – für die ebenfalls zu Unrecht ins KZ eingelieferten Lebenslänglichen, die Sicherheitsverwahrten und die sogenannten Berufsverbrecher (BV)? Dieses Prädikat un damit die Einweisung in ein KZ konnte einen Kriminellen im Dritten Reich schon bei dre wiederholten Straftaten treffen. Die Männer mit dem grünen Winkel dienten der SS oft als Kapos, waren aber ebenfalls Opfer, vom Tode bedroht.

Unbehagen macht sich noch einmal breit. Das Mahnmal, Kranzabwurfstelle nach Walser Schandmal und Brandmal, das dem deutschen Volk aufgedrückt werden soll, nach Augstein wird nun mit seinen überdimensionalen Abmessungen gebaut, gegen den demoskopisc ermittelten Willen der Bevölkerung und einer breiten Minderheit des Bundestags – gigantisch und singulär das Verbrechen, singulär und gigantomanisch das Denkmal. Die Riesenzahl unschuldiger Opfer mache die Riesendimension, drei Fußballfelder groß zwingend, argumentieren die Mahnmal-Initiatoren – und den Standort neben de Reichstag.

Wo aber soll das Denkmal für die über zwei Millionen durch die Vertreibung ermordete Ostdeutschland, Danziger, Pommern, Schlesier und Sudetendeutschen stehen, Frauen und Kinde zumeist, unschuldig auch sie? Wo die Gedenktafel für die Millionen von der Roten Arme vergewaltigter Frauen? Sollte die russische Regierung ihnen ein Mahnmal errichten vielleicht in Moskau auf dem Roten Platz? Platz wäre da genug.

Oder werden deutsche Initiatoren beim Bundestag und beim Senat von Berlin die Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Vertriebenen beantragen? Die Gruppe um Le Rosh wird es nicht tun. In einer Fernsehdiskussion des Bayrischen Rundfunks am 30. Apri 1995 stellte ich Frau Rosh die Frage: "Würden Sie auch ein Mahnmal für die mehr als zwei Millionen toten Vertriebenen unterstützen?" Die Antwort kam kurz und wie au der Pistole geschossen: Nein.

Glücklicherweise gibt es auch andere Stellungnahmen. Unter dem Eindruck de massenhaften ethnischen Vertreibung der Kosovo-Albaner ist auch bei den Linken da Verständnis für das millionenfache Unrecht gewachsen, das die deutschen Vertriebene erlitten haben. So erklärte Innenminister Otto Schily im Mai dieses Jahres im Berline Dom vor 2000 Zuhörern, die deutsche Linke habe jahrzehntelang den Vertriebenen bittere Unrecht getan, indem sie sie als revanchistisch verteufelt und die Trauer über ihre Opfe ignoriert habe. Schily erklärte sich überraschend bereit, den Plan zu unterstützen, in Berlin ein "Haus der Vertreibung" zu errichten.

Nehmen wir ihn beim Wort. Nicht noch eine gigantomanische Bebauung in der Nähe de Reichstages. Keine Aufrechnung von Millionen Toten gegen andere Millionen. Eine würdig Stätte der Erinnerung, des Gedenkens – und der Forschung – sei die besser Alternative zu den zementenen und stählernen Monstern, Mahnmalen und Brandmalen.


 
     
     
 
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