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Die Berichterstattung der schreibenden und sendenden Zunft zur sogenannten Föderalismusreform lief nach bekanntem Muster ab. Die Waschzettel der Pressereferenten hatten "positives Denken" vorgegeben: "Einigung auf Staatsreform", "Mehr als 40 Verfassungsänderungen", "Zum Erfolg verurteilt", "Ein Schritt nach vorn".
Zuletzt war Ende 2005 der sogenannte "Haushaltskompromiß" der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) nach diesem Muster den Bürgerinnen und Bürgern "verkauft" worden, als "Signal der Hoffnung" hieß es und: "Europa wieder in Bewegung" oder "Einigung über Finanzausstattung". Das alles waren schöne Formulierungen, hinter denen sich die Erhöhung der finanziellen Nettoleistungen Deutschlands verbargen. Das tatsächliche Ergebnis dieses Gipfels wurde verschleiert. "Wir sind weiterhin Zahlmeister" wäre den Beschlüssen am nächsten gekommen, wurde doch Deutschlands Rolle als Zahlmeister der Union auf weitere sieben Jahre festgeschrieben, so daß unser Land nunmehr auch im Hinblick auf seine Wirtschaftskraft so hohe Beiträge leisten muß, wie kein anderer Staat der EU. Weder die hohe Arbeitslosigkeit, noch die gefährlich hohe Verschuldung und die rezessive Wirtschaftslage haben den euromanischen Überschwang deutscher Politik dämpfen können und mit ihm seine publizistische Begleitung.
Ähnlich wird eine solche Masche auch im Fall der Föderalismusreform "durchgezogen". Nach publizistischer Vorbereitung wird sie in den nächsten Monaten von der großen Koalition parlamentarisch "über die Bühne gebracht", von Hintergrundgesprächen aller Art sorgfältig begleitet. Dabei wird die Tatsache verborgen, daß es zu einer tiefgreifenden, wirklichen und notwendigen Reform des föderalistischen Systems in Deutschland nicht kommen wird.
Vielmehr soll innerhalb des derzeitigen föderalistischen Systems zwar das eine oder andere verändert, übersichtlicher und wirksamer gestaltet werden, aber es bleibt bei 16 Bundesländern sehr unterschiedlicher Größe und Wirtschaftskraft, was einen aufwendigen und mittlerweile undurchschaubaren Finanzausgleich er-forderlich macht, der bezeichnenderweise außerhalb der "Reform" geblieben ist.
Offensichtlich war den Reformern die "Überführung des Bergmannssiedlungsrechts" in die Länderkompetenz wichtiger. Positive Regelungen zugunsten des Bundes im Bezug auf die Kernkraftanlagen und bei der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus seien anerkannt.
Der Versuch, einen Kraftakt zur Neugliederung der Bundesländer zu unternehmen, wurde ebenso wenig unternommen wie der zu einem auf dieser Neugliederung gründenden neuen Finanzausgleich. Trotz publizistischem Trommelwirbel und Paukenschlag um das "große Reformwerk der 40 Verfassungsänderungen" wird in Wirklichkeit die große Chance vertan, den Zuschnitt der föderalistischen Gestalt Deutschlands grundlegend zu verbessern. Genau das aber hätte inhaltlich die einzige tatsächliche und unabweisbar sachliche Begründung für eine "Große Koalition" sein können.
Alle Bundesländer haben in ihren Bereichen in den vergangenen Jahrzehnten Reformen ihrer Städte, Kreise und Gemeinden mit dem Ziel der Rationalisierung der Verwaltung und unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten der Landesplanung und Raumordnung vorbereitet und durchgesetzt und rühmen sich der dabei erzielten Erfolge. Jetzt sollten sie selbst an der Reihe sein, auf Länderebene das gleiche zu tun und zugleich vorbildlich in ihrem ureigensten Bereich den Reformstau zu überwinden.
Ziel einer wirklichen Föderalismusreform wäre die Reduzierung der Zahl der Bundesländer von 16 auf acht mit einer Mindesteinwohnerzahl von sechs Millionen. Dabei sollten, soweit die Geographie es zuläßt, bisherige Bundesländer nur als Einheit in neue Länder eingebracht werden, und man sollte sich an den nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Strukturen orientieren. Gleichzeitig sollten diese neu zu bildenden Länder, wiederum nach geographischen Möglichkeiten, Länder der "alten" Bundesrepublik mit solchen aus dem Gebiet der früheren DDR zusammenführen, was helfen könnte, den unsinnigen "Wessi-Ossi"-Gegensatz zu überwinden.
Legt man diese Ziele zugrunde, entstünden von Nord nach Süd gemäß einem Diskussionsvorschlag folgende Bundesländer:
1. Hanse: Bisherige Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, 6,2 Millionen Einwohner
2. Niedersachsen-Börde: Niedersachsen, Bremen, Bezirk Magdeburg, 11 Millionen Einwohner
3. Preußen: Brandenburg, Berlin, 6 Millionen Einwohner
4. Sachsen-Anhalt: Sachsen, Bezirk Halle / Saale, 5,6 Millionen Einwohner
5. Nordrhein-Westfalen (unverändert), 18 Millionen Einwohner
6. Hessen und Thüringen, 8,5 Millionen Einwohner
7. Rhein-Saar: Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland, 15,8 Millionen Einwohner
8. Bayern (unverändert), 12,5 Millionen Einwohner
Zugleich bestünde die Chance, den Bundesrat als Verfassungsorgan zu demokratisieren, das heißt, die Stimmkraft der Einwohner in den Bundesländern könnte einander angeglichen werden. Derzeit ist sie für einen Einwohner in Bremen 13,6 mal größer als für einen Einwohner in Nordrhein-Westfalen.
Unter dem Gesichtspunkt "Ein Mensch - eine Stimme" besteht auch hierbei Reformbedarf
Wann, wenn nicht in der parteilichen Konstellation einer großen Koalition soll es möglich sein, eine solche auf die Stärkung und Funktionsfähigkeit des deutschen Föderalismus ausgerichtete wirkliche Reform durchzuführen? Wann könnte eine kraftvolle, alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche erfassende Staatsreform konzipiert und durchgesetzt werden, wenn nicht jetzt? Wenn der Staat mit gutem Beispiel voran geht und bei sich selbst anfängt, die Zahl von über 100 Landesministern und rund 1.900 Abgeordneten in den Ländern drastisch zu senken, die Verwaltungen stringenter zu gestalten, kann er Reformbereitschaft auch bei den Bürgern und allen ihren Lebensbereichen erwarten und durchsetzen. Die sogenannte Föderalismus-Reform bietet dazu keinen Ansatz, sie verbleibt im "alten Denken".
Mögliche Neuaufteilung der Bundesländer von 16 auf acht. |
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