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Gefährlicher Wettlauf

 
     
 
Der Zusammenhang der Doppelkrise zwischen Afghanistan und Nahost ist unverkennbar. Wenn die Staatenlenker dieser Welt sich treffen, sprechen sie im gleichen Atemzug von beiden Gefechtsfeldern. So auch Schröder und Putin am letzten Sonntag in Hannover, und so war es bei den Gesprächen mit dem amerikanischen Außenminister Powell in Moskau und dann in Berlin oder als die EU-Außenminister vor dem EU-Gipfel
von Laeken zusammenkamen.

Auch in Laeken selbst wird man den Zusammenhang sehen: Ohne eine Befriedung des Nahen Ostens wird es kein Ende des islamistischen Terrors geben. Denn der gemeinsame Nenner beider Krisenherde ist der Antagonismus der religiösen Fanatiker. Dem Weltherrschaftsanspruch auf der islamistischen Seite steht das religiöse Grundbuchdenken der Juden gegenüber. Das Heilige Land scheint zu schmal, zu klein, historisch zu überfrachtet für zwei Religionen.

Mittlerweile spaltet der Haß nicht nur Moschee und Synagoge, sondern auch die Völker insgesamt. Daß der Anschlag von Haifa am vergangenen Sonntag nicht mehr Opfer forderte, ist zwar der Aufmerksamkeit der israelischen Sicherheitskräfte zu verdanken, aber niemand weiß, wie viele von den Selbstmordbomben noch unterwegs sind. Die Stimmung ist so aufgeladen, daß für die Mehrheit der Israelis jeder Muslim eine potentielle Bombe ist. Sie sehen an jedem Gürtel glimmende Lunten. An solch eine Stimmung voll Angst und Terror kann sich niemand gewöhnen. Das Angebot der radikalen Palästinenser, die Selbstmordattentate auszusetzen, wenn Israel seine Truppen aus den autonomen Gebieten zurückzieht, konnte aus Jerusalemer Sicht nur abgelehnt werden. Israel will sich nicht erpressen lassen.

Putin und Schröder empfehlen, mehr Druck auf beide Seiten auszuüben. Darüber werden die meisten Israelis nur lachen: Sollen sie sich wie Schafe zur Schlachtbank führen lassen? In den Palästinensergebieten wiederum ist die Bitterkeit, ist der Haß auf die Israelis und ihre zum Teil brutalen Methoden größer als jeder noch so einleuchtende Ansatz zur Vernunft. Schlimmer noch: Die Wut richtet sich mittlerweile auch gegen PLO-Chef Arafat. Die Glaubwürdigkeit des Palästinenserführers ist in beiden Lagern auf null gesunken. Auch Washington rechnet nicht mehr mit ihm.

Die Bush-Regierung steht hinter Israel im Kampf gegen den Terror. Offenbar hat man nach dem blutigsten Wochenende, das Israel in den letzten Jahren erlitten hat, in Amerika auch eine neue Perspektive der Vorgänge in Nahost gewonnen. Der Terror aus den Lagern und Städten in den autonomen Gebieten der Palästinenser wird jetzt auch in den weltweiten Zusammenhang des Kriegs gegen den internationalen Terrorismus eingeordnet.

Das gibt Sharon weitgehend freie Hand. Und erhöht den Druck auf Arafat, selber gegen die radikalen Islamisten von Hamas und Dschihad vorzugehen. Es dürfte den Europäern schwerfallen, die Amerikaner davon zu überzeugen, daß der Terror in Nahost nur ein regionales Phänomen ist. Hier zeichnet sich eine Konfliktlinie in der Weltallianz gegen den Terror ab.

Hamas und Dschihad sehen ihren Terror in der Tat nicht auf Israel begrenzt. Religiöse Fanatiker haben immer die Welt im Blick, sie operieren global. Israel dagegen kann nur lokal vorgehen, von vereinzelten Geheimdienstaktionen einmal abgesehen.

Ob das alttestamentliche Gesetz der Vergeltung aber zum Frieden führt, daran darf man zweifeln. Wenn Arafat dagegen dauerhaft gegen die Extremisten vorginge, dann wäre damit schon viel gewonnen, vielleicht sogar der Weg zu neuen Verhandlungen geebnet. Das ist die Hoffnung in Washington.

Bevor sie greift, wird Israels Regierungschef noch versuchen, so viele vollendete Tatsachen wie möglich zu schaffen. Ein gefährlicher Wettlauf. Eskalationen haben in Nahost immer eine eigene Dynamik entwickelt. Es war immer schon etwas leichter, den Geist der Gewalt aus der Flasche zu lassen, als ihn wieder hineinzubekommen. Wenn Washington nicht aufpaßt, könnte auf dem Umweg über Nahost die Rechnung des Osama bin Laden doch noch aufgehen und die islamische Welt entflammen.

 
     
     
 
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