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Wer Hoffnungen in den Besuch Erika Steinbachs in der vergangenen Woche in Warschau gelegt hatte, konnte sie sich getrost für fernere Zeiten aufbewahren. Denn bei ihrer Kurzvisite an der Weichsel stieß sie auf die gewohnten festgefahrenen Wege und verhärteten Fronten auf polnischer Seite. Einer Einladung des Parlamentsmitglieds der deutschen Minderheit im Warschauer Sejm, Heinrich Kroll, folgend, war sie am 21. Oktober in der vermeintlichen "Höhle des Löwen" mit zwei deutschen und einer polnischen liberalen Abgeordneten zusammengetroffen. Anschließend hielt sie eine Rede, die beide Seiten im nachhinein als doppeldeutig und wenig hilfreich bezeichneten. Offenbar wollte Frau Steinbach ihr auch hierzulande für eine BdV-Funktionärin ungewohnt forsches Auftreten in der polnischen Presse abmildern, denn sie distanzierte sich in Warschau von der Rückgabeforderung ehemaliger deutscher Immobilien und verwässerte auch ihre zuvor klare Haltung in der Frage des polnischen EU-Beitritt s. Im Außenministerium wurde sie dennoch nicht empfangen, und auch die Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau hielt sich erwartungsgemäß vornehm zurück.
Die Polen verübeln Erika Steinbach vor allem ihre Forderung, Deutschland solle ein Veto gegen die EU-Erweiterung einlegen, solange Warschau keine Zugeständnisse an die Vertriebenen macht. Die gerade in den neunziger Jahren angelaufene Vertreibungsdebatte kam daraufhin in Polen zum Stillstand, die Fronten verhärteten sich wieder. Heute schreiben polnische Zeitungen zum Teil wieder wie einst in Zeiten der kommunistischen Diktatur, es seien damals ohnehin nur "Nazis und Kriegsverbrecher" ausgewiesen worden. Die BdV-Präsidentin befindet sich somit mit ihrer zu Recht gestellten Forderung in einer Sackgasse: Polen verweigert ihr den Dialog, und in Deutschland stärkt ihr niemand den Rücken. Von der rotgrünen Regierung ist wahrlich nicht zu erwarten, daß sie mit Rücksicht auf die Vertriebenen die EU-Osterweiterung scheitern läßt. Und das Nato-Mitglied Polen kann dem Ganzen gelassen entgegensehen, zumal gerade eine EU-Kommission bestätigt hat, daß es keinen Nachholbedarf in Fragen der Menschenrechte hat.
Aus Warschauer Sicht müssen vier Bedingungen erfüllt sein, um den ins Stocken geratenen deutsch-polnischen Dialog wieder aufzunehmen. Vor allem akzeptieren die Polen nicht die Abhängigkeit der deutschen Unterstützung für die EU-Aufnahme Polens von der Vertreibungsfrage 1945. Weiterhin wehren sie sich gegen den von deutscher Seite vereinzelt angestellten Vergleich zwischen der Vertreibung der Deutschen und der ethnischen Säuberung im Kosovo. Drittens fordern die Polen, die Aussiedlungen der Deutschen nicht aus dem historischen Kontext zu lösen; die Vertreibung begann ihrer Ansicht nach nicht 1945, sondern bereits 1939. Letztlich verlangt Warschau generell, Deutschland dürfe künftig die "polnischen Empfindlichkeiten" nicht mehr so ohne weiteres übergehen. Bei so viel verletzter Eitelkeit und gekränktem Nationalstolz mußte Erika Steinbachs Mission zwangsläufig scheitern. Sie kann nun entweder weiter Interessenpolitik machen oder wie die Mehrzahl der deutschen Politiker auf den Versöhnungskurs einschwenken.
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