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Eine der politisch heikelsten Grenzen in Europa, der Grenzverlauf zwischen dem Bundesgebiet und Polen, wird mit Ende dieses Jahres 2007 zwar nicht von den Landkarten verschwinden, aber aus der Landschaft. Das sogenannten Schengener Abkommen wird dann auf alle Staaten ausgedehnt, die 2004 der Union beigetreten sind. Nach der Fahrplan der EU soll diese Regelung zunächst für alle Land- und Seegrenzen gelten, die Grenzabfertigung auf den Flughäfen wird dann mit der Umstellung auf den Sommerflugplan am 30. März 2008 angepaßt.
Zwar gibt es noch einen Vorbehalt - erst Anfang November soll endgültig grünes Licht gegeben werden - aber an der grundsätzlichen Umsetzung des ehrgeizigen Zeitplanes zweifelt niemand mehr.
Nach dem Schengen-Abkommen dürfen die Mitgliedstaaten kein "Grenzregime" mehr entfalten, wie es umständlich heißt. Also weder administrative noch technische Hindernisse dürfen den Grenzübertritt der EU-Bürger behindern.
Die praktischen Folgen aus dem Schengen-Recht sind mehr als gewöhnungsbedürftig - selbst in den besonders Europa-erfahrenen Regionen wie dem Drei-Länder-Eck von Deutschland, Belgien und den Niederlanden mußten sich Bürger und Behörden erst auf die neue Situation einstellen.
An der Oder-Neiße Grenze entsteht eine völlig neue, auch psychologisch komplizierte Lage: Mit dem nächsten Jahreswechsel entfallen nicht nur die Abfertigungen, die Schlagbäume bleiben offen, die Grenzerhäuschen unbesetzt. Später sollen die Anlagen - wie an den westlichen Grenzübergängen - ganz abgebaut werden. Immerhin, die manchmal auch schikanös langwierigen Grenzkontrollen unterbleiben. Das zwischen den Schengen-Staaten vereinbarte Sicherheitskonzept sieht andererseits vor, daß Polizei- oder Zollbeamte mutmaßlichen Straftätern kurzfristig bis ins Nachbarland folgen und sie dort festhalten dürfen.
Diese spezielle Handhabung von Hoheitsrechten verlangt von den Reisenden und den Bewohnern der Grenzregionen aller bisherigen Erfahrung nach ein erhebliches Maß an Eingewöhnung - besonders dann, wenn eine Regierung wie die derzeitige Koalition in Warschau die Entwicklung zu einem offenen Umgang miteinander mit deutlich nationalistischen Wortmeldungen konterkariert.
Im Westen der Bundesrepublik hat sich das neue Sicherheitskonzept bisher bewährt. Statt an den Grenzübergängen werden Verdächtige im Hinterland der Grenze überwacht und kontrolliert - das Konzept ist unter dem Begriff "Schleierfahndung" bekannt geworden. Kernstück der "diskreten Grenzüberwachung" ist das "Schengen-Informationssystem" (SIS), der Datenaustausch der einzelnen EU-Sicherheitsbehörden über gesuchte Personen und Gegenstände - ein Computerverbund, der unter den bisherigen Schengen-Staaten sogar technisch erstaunlich gut funktioniert hat.
Ursprünglich sollte die Ausweitung der Schengen-Regeln von der Umstellung auf das modernisierte Sicherheitssystem SIS-II abhängig gemacht werden - in dieser Datenbank werden dann auch biometrische Daten, Paßbilder und Fingerabdrücke von Straftätern, verdächtigen Personen und abgelehnten Asylbewerbern gespeichert. Obwohl sich die Fertigstellung von SIS-II aber verzögerte, beschlossen die Innenminister der 25 EU-Staaten im vergangenen November, die Umsetzung des Schengen-Abkommens doch nach dem ursprünglichen Fahrplan zuzulassen - wenn auch "mit Bauchschmerzen", wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bekannte.
Er, der bayerische Innenminister Beckstein und die Gewerkschaft der Polizei befürchten "erhebliche Sicherheitslücken".
Für die Kontrolle der östlichen EU-Außengrenze sind ab 2008 die baltischen Staaten, Polen, Ungarn, die Slowakei und Slowenien nach dem Prinzip "Einer für alle" allein verantwortlich.
Wolfgang Schäuble verlangt deshalb einen "halbjährigen Probelauf".
Geburtsort Schengen
Den idyllischen Ort an der Obermosel im Drei-Länder-Eck zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg hatten die fünf Gründerstaaten (mit Belgien und den Niederlanden) 1985 aus symbolischen Gründen gewählt, um hier das Abkommen zur Abschaffung der EU-Binnenkontrollen zu beschließen. 1990 folgte das Schengener Durchführungsabkommen, das die Verfahrensschritte festlegte. Inzwischen haben 33 Staaten das Abkommen unterzeichnet (oder wenden es an wie Andorra oder San Marino). Beigetreten sind auch Norwegen und Island als Mitglieder der Nordischen Paßunion. Seit 1999 ist das Schengen-Abkommen in das EU-Recht integriert, Großbritannien und Irland machen allerdings von einem Vertragsprivileg Gebrauch und kontrollieren weiter. Zum Jahresende 2007 werden alle EU-Neumitglieder die Schengen-Regeln einführen, mit Ausnahme von Rumänien und Bulgarien. Zypern will sich 2009 anschließen.
Das Kernstück "Einer für alle"
Erteilt ein Schengen-Staat Ausländern eine Aufenthaltsgenehmigung, so gilt sie für den ganzen Schengen-Raum. Und umgekehrt: Versagt ein Staat das Visum, so darf sich diese Person in keinem Schengen-Land aufhalten. Bürger der Schengen-Staaten genießen völlige Reisefreiheit und dürfen ohne besonderen Grund an den Binnengrenzen nicht aufgehalten werden; dieser Grund müßte bei Überprüfungen angegeben werden. Polizei und Zoll dürfen aber im grenznahen Raum verstärkt Kontrollen durchführen. An den EU-Außengrenzen - in Deutschland sind dies künftig die Grenzübergänge an Nord- und Ostsee sowie auf den internationalen Flughäfen - müssen getrennte Durchgänge für Schengen-Bürger und Ausländer geschaffen werden. Nur in Ausnahmefälle, etwa bei Großveranstaltungen mit einem besonderen Gefährdungspotential wie etwa der Fußball-WM, können die Schengen-Regeln kurzfristig ausgesetzt werden.
Foto: Schleierfahndung: Ohne Grenzen erfolgt die Kontrolle nur noch bei |
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