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Griff ins Gruselkabinett

 
     
 
Wie einst Dracula, so saugen heute die Hinterlassenschaften des Kommunismus den Bewohnern Rumäniens das Blut aus ihren Lebensadern. War die Lage in den letzten Jahre angesichts der zunehmenden Massenarmut und einer Inflationsrate von derzeit 45 Prozent schon schlecht genug, so kann es nach den Präsidenten- und Parlamentswahlen vom 26. November wohl nur noch schlimmer werden.

Vorläufigen Ergebnissen zufolge entschied der 70jährige Ion Iliescu, Ex-Kronprinz Ceausescus und zwischen 1990 und 1996 erstes Staatsoberhaupt des postkommunistischen Rumäniens, die Präsidentschaftswahl mit 36,5 Prozent für sich. Allerdings muß der Kandidat der Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) am 10. Dezember in einer Stichwahl
gegen den politisch nicht minder unsympathischen Corneliu Vadim Tudor antreten.

Der Antidemokrat und National-Chauvinist Tudor erreichte als Führer der Großrumänischen Partei (PRM) 29,1 Prozent der Stimmen und erfreute sich zudem am zweiten Platz seiner Partei im künftigen Senat (19,99 Prozent) bzw. im Abgeordnetenhaus (21,23 Prozent), übertroffen jeweils nur von Iliescus PDSR mit 37 bzw. 37,7 Prozent.

Ministerpräsident Mugur Isarescu als Kandidat der Demokratischen Konvention Rumäniens (CDR 2000) landete ebenso wie der liberale Bewerber Theodor Stolojan und weitere acht Rivalen weit abgeschlagen hinter dem Spitzenduo. Ähnliches gilt für die bisherigen Regierungsparteien aus dem heillos zerstrittenen bürgerlichen Lager: Während die immer wieder mit anderen Koalitionen kungelnde Demokratische Partei (PD) Petre Romans noch auf 7,5 Prozent kam und die sich seit dem Sommer aus der Mitverantwortung abseilenden Nationalliberalen (PNL) gut sieben Prozent erreichten, geriet die Wahl für die ebenso traditionsreiche wie kraftlose Bauernpartei (PNTCD) zur Katastrophe. Zusammen mit den vier anderen in der CDR 2000 vereinten Mitte-Rechts-Gruppierungen schaffte sie mit rund fünf Prozent nicht einmal den Sprung in die neue Volksvertretung. Für Listenverbindungen gilt dort eine 10prozentige Sperrklausel.

Offensichtlich geben die 18 Millionen Wahlbürger Rumäniens vor allem der wichtigsten Regierungspartei PNTCD die Schuld an der aus roten Erblasten herrührenden Wirtschaftlage, der Korruption (einer US-Studie zufolge ist diese außer in Rußland und Jugoslawien in keinem postkommunistischen Staat höher) sowie dem Verschleiß von drei Regierungschefs und etlichen entlassenen Ministern.

Auch die eifrig propagierte EU-Beitrittsperspektive als Allheilmittel – versinnbildlicht im CDR-Symbol eines von einem Ring aus gelben Sternen auf blauem Grund umgebenen Schlüssels – konnte das Absinken in die Bedeutungslosigkeit nicht verhindern. Zuletzt hatte die zu echten Reformen unfähige Regierung aus Demokratischer Konvention, Nationalliberalen, sozialdemokratischer PD und Ungarnverband (RMDSZ) selbst nicht mehr an einen Sieg geglaubt.

Daß die Menschen für einen radikalen Wechsel stimmten, kann nicht verwundern. Doch daß sie ausgerechnet Iliescu wieder auf die politische Bühne hievten und dem ihm biographisch wie ideologisch nicht unähnlichen Tudor zum Durchbruch verhalfen, zeigt die ganze Trostlosigkeit der mentalen Situation des Landes.

Beide entstammen – wie viele andere in den verschiedensten Parteien bis heute einflußreiche KP- und Securitate-Seilschaften – dem ideologischen Gruselkabinett Ceausescus. Während Iliescu zu kommunistischen Zeiten u. a. zwischen 1974 und 1979 als Erster Parteisekretär im Bezirk Jassy (Moldau) reüssierte, tat sich Corneliu Vadim Tudor als Redenschreiber des Diktators hervor, den er obendrein in Gedichten verherrlichte. Nach 1989 paßten sie sich geschickt den neuen Verhältnissen an und bedienten die zunehmend frustrierten Massen mit einem Gemisch aus Sozialismus und Vulgär-Nationalismus.

Iliescu ist ebenso wie der blasse PDSR-Vize Adrian Nastase zu klug, um eine das Ausland verprellende Koalition mit der Großrumänischen Partei einzugehen. Bereits am Wahlabend kündigte man an, eine Minderheitsregierung bilden oder sich bürgerliche Mehrheitsbeschaffer suchen zu wollen. Ersteres liefe auf eine Konstellation hinaus, wie sie bis 1996 bestanden hatte, als die Tudor-Partei als stiller Partner Iliescus fungierte.

Wie auch immer die neue rumänische Führung aussieht, den Beitrittswunsch zur EU und NATO wird sie sicherlich nicht über Bord werfen, ebensowenig die Absage an das alte sozialistische Wirtschaftssystem. Nastase verkündete auf einer Wahlkampfrede seine Vision eines "rumänischen Kapitalismus mit rumänischen Kapitalisten auf einem rumänischen Markt und mit rumänischen Produkten".

Die ohnehin nur schleppend vorangetriebene Privatisierung großer Staatsunternehmen sowie die Rückgabe enteigneten Grundbesitzes dürften jedoch endgültig auf die lange Bank geschoben werden – und mit ihnen die ersehnte wirtschaftliche Gesundung Rumäniens.

 
     
     
 
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